Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurzgayschichten

Kurzgayschichten

Titel: Kurzgayschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. Meyer
Vom Netzwerk:
wenn ich morgens die Schule betrete.
    Ich erstarre.
    Ich habe das Wochenende über lange genug Zeit gehabt mir die schlimmsten Horrorvisionen vorzustellen, aber das übertrifft alles.
    Ein Foto in Postergröße mit mir und Leon drauf, wie wir uns küssen, gestochen scharf, die Beule in meiner Hose fällt schon auf den ersten Blick auf, darüber mit großen roten Buchstaben: „Die schwule Sau aus Nickrau, dein Arsch ist der nächste!“
    Ich zittere am ganzen Körper, ich kann es nicht unterdrücken, Tränen lassen mich meine Umgebung nur noch verschwommen wahrnehmen und die Kontaktlinsen brennen in meinen Augen. Ich reiße das Foto ab, zerknülle es, werfe es in die nächste Ecke und heule wie ein Kleinkind.
    Einige gehen an mir vorbei und mustern mich angeekelt. Jemand flüstert mir „Schwuchtel“ zu.
    Je mehr Leute an mir vorbeigehen, desto mehr Blicke kann ich auf mir spüren, abwertende Blicke, angewiderte Blicke, manchmal auch spöttische.
    Ich drehe mich um, will raus hier, einfach weg, als ich plötzlich Leon erblicke. Er steuert genau auf mich zu. Ich stehe einfach wie angewurzelt da, unfähig mich zu rühren oder etwas zu sagen, nur mein Körper zittert weiterhin unkontrolliert.
    „Hey, ist das nicht die schwule Sau von der Party am Freitag?!“ Ein dunkelhaariger Junge lenkt die Aufmerksamkeit auf mich.
    Ich fühle mich, als wäre ich soeben geschlagen worden. Leons Blick trifft mich eiskalt, er sieht mich an, als würde er mich jeden Moment umbringen wollen und das ist noch verharmlost. Er geht an mir vorbei, ohne irgendetwas zu sagen, während der Dunkelhaarige mich weiterhin beschimpft. Ich weiß nicht, was mehr wehtut, die Beleidigungen des Fremden oder die Tatsache, dass Leon, mein bester Freund, mich eiskalt ignoriert. Ich bin überfordert mit der Situation,  von überall diese Blicke und Bemerkungen.
    Als ich schon die nächsten um die Ecke kommen sehe, weiß ich keinen anderen Ausweg mehr, als mich auf dem Männerklo zu verstecken.
    Irgendjemand ruft mir ein „Schwanzlutscher“ hinterher, aber es tut schon nicht mehr weh.
    Ich schließe mich in einem der vollgekritzelten Klos ein und lasse den Tränen freien Lauf.
    Mein Hals und meine Augen brennen, aber es ist egal. Ich bin zum Gespött der gesamten Schule geworden, wie paradox, wenn man bedenkt, dass mich vorher keiner gekannt hat.
    Ich verbrauche fast die halbe Klopapierrolle um meine Augen halbwegs wieder zu trocknen.
    Die erste Stunde habe ich verpasst, auch die große Pause über vermeide ich es, mich sehen zu lassen.
    Die Tür geht auf und zwei Jungs betreten die Toilette, unterhalten sich lautstark.
    „Stell dir vor, der hat Leon tatsächlich angegrapscht, diese Tucke, ihm die Zunge in den Hals gesteckt wie ein Stricher!“
    Der andere scheint empört. „Solche Arschficker lassen die auf unsere Schule, das ist ja abartig!“
    Ich halte mir die Ohren zu, will gar nicht mehr mitbekommen, was sie sonst noch für Lügen parat haben.
    Sie gehen wieder und Neue kommen. Wieder bin ich Gesprächsthema Nummer eins. Es scheint wirklich die gesamte Schule zu wissen. Ich will weg hier, nach Hause und mich in meinem Bett verkriechen, aber ich traue mich nicht die sichere Zelle zu verlassen.
    Es wird still um mich herum und die Schulglocke kündigt die dritte Stunde an.
    Anstatt die Chance zu nutzen und jetzt zu gehen, bleibe ich weiterhin sitzen, leere meine Brotdose und ertränke meinen Weltschmerz im Orangensaft.
    Wie soll es nur weitergehen? Ich werde mir eine neue Schule suchen müssen, vielleicht ganz wegziehen, was werden die Nachbarn von uns halten?
    Seufzend zerknülle ich die Alufolie und werfe sie zurück in den Rucksack. Ich bin geliefert.
    Die Kontaktlinsen brennen so sehr, dass ich sie schließlich herausnehme, das viele Weinen hat mich zudem auch noch schläfrig gemacht, so wie immer, mit der Ausnahme, dass ich hier auf dem Klo und nicht in meinem gemütlichen Bett bin.
    Ich versuche es mir so gemütlich wie möglich zu machen, klemme mir meinen zweiten Pullover in den Rücken und dämmere tatsächlich weg.
     
    Als ich das nächste Mal aufwache, höre ich überall Stimmengewirr, es scheint wieder große Pause zu sein. Also habe ich drei Stunden geschlafen.
    Mein Rücken tut höllisch weh, es ist definitiv keine gute Idee gewesen, auf dem Klo einzuschlafen. Die Kehle ist immer noch wie zugeschnürt, also greife ich nach meiner Trinkflasche. Als ich sie zurück in den Rucksack stecken will, gleitet sie mir aus der Hand und rollt

Weitere Kostenlose Bücher