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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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angenommen: Der Mann war mit dem Wohnmobil nach Pirna gefahren, hatte zwar tatsächlich seine alte Tante besucht, sich dann aber einen Geländewagen gemietet, um in Mirow seinen Kontrahenten Mariotti zu beseitigen und später dessen kleine Wohnung in Leipzig abzufackeln. Damit er unterwegs als Fremdling nicht auffiel, hatte er das Kennzeichen des Mietwagens gegen ein gestohlenes aus dem örtlichen Kreis Mecklenburg-Strelitz ausgetauscht. Und um keine elektronischen Spuren zu hinterlassen – oder vielleicht eine falsche Fährte zu legen –, war er auf die Idee gekommen, das Handy von Büttner zu benutzen, den er schon einige Tage zuvor in den Weiherwiesen beseitigt hatte. Aus zwei Gesprächsverbindungen, die jedoch nicht zustande gekommen waren, ließen sich Kontakte zu Estromag nachweisen.
    Bei seinen stundenlangen Grübeleien auf der Autobahn hatte Häberle aber noch weitere Erkenntnisse gewonnen: Dieser Mann war nach allem, was inzwischen in den Akten stand, ein Naturfreund – und keinesfalls nur an historischen Gebäuden interessiert, wie er es vor einigen Tagen gegenüber Linkohr behauptet hatte. Vermutlich war er sogar Angler, worauf das Stück Angelschnur hindeuten konnte, das den Kollegen am Tatort Peetschsee aufgefallen war. Diese Naturliebe würde auch sein Interesse an den Bibern erklären, die sowohl am Weiherwiesensee als auch in Mecklenburg-Vorpommern längst wieder aufgetaucht sind. Vermutlich hatte ihm Frau Rothfuß die wissenschaftlichen Abhandlungen darüber auf den verlorenen USB-Stick gezogen. Denn dass die Frau ausgerechnet von der Seenplatte einige Fotos besaß, von denen sie eines als Bildschirmschoner nutzte, hatte den Chefermittler zu weiteren Gedankenspielen animiert: Immerhin hatte sie gegenüber diesem Taler, dessen Rechercheergebnisse inzwischen in die Akten eingeflossen waren, mehr oder weniger kleinlaut zugegeben, mit einem Bekannten im Oktober an der Mecklenburger Seenplatte gewesen zu sein. Vermutlich war sie sogar die Katimaus 4 und Verfasserin der dubiosen Briefe. Ein scharfes S, so hatte es doch Bodling festgestellt, benutzte sie nur beim Schreiben ihres eigenen Namens, nicht aber beim Wort Straße. Und weil im Oktober nach Angaben Bodlings nur eine einzige Person in den gehobenen Positionen des Albwerks Urlaub hatte, erschien Häberle klar, auf wen er sich ab sofort konzentrieren musste: Markus Wollek.
    Diesen Mann wollten sie jetzt mit all den Erkenntnissen der letzten Tage konfrontieren. Linkohr hatte deshalb vorsorglich die private Telefonnummer Wolleks angerufen, unter der sich allerdings nur dessen Frau meldete und erklärte, ihr Mann sei beim Turmdienst.
    Häberle überließ seinem Assistenten das Steuer des Audis, der knapp eine Viertelstunde später über einen Forstweg in die Nähe des Turmes rollte, gefolgt von zwei zivilen Kleinbussen. Linkohr stoppte den Wagen etwa 50 Meter vom Ziel entfernt, um im Schutze des Blätterdachs weit ausragender Buchen zu bleiben.
    Sollte jemand aus den Turmfenstern schauen, durften die Fahrzeuge nicht sofort erkennbar sein. Häberle vereinbarte mit den Uniformierten, sich bereitzuhalten, falls er per Funk um Verstärkung bitten musste.
    Dann folgten er und sein junger Kollege ohne Eile dem Weg, der zur Rückseite des hoch aufragenden Buckelquader-Bauwerks führte. An der dortigen Picknickecke saß eine Familie mit drei Kindern und hatte auf dem rustikalen Holztisch ihr Vesper ausgebreitet. Nicht gerade günstig, dachte Häberle, als er im Vorbeigehen grüßte.
    Die beiden Kriminalisten entschieden sich, rechts am Turm vorbei zur Vorderseite zu gehen, wo der steil abfallende Albtrauf dicht an ihn heranreichte und einen atemberaubenden Blick auf die Stadt bot. Auf einem kleinen, betonierten Aussichtsplateau, das an den Fels gebaut war, erklärten sich offenbar zwei gestikulierende Männer gegenseitig, was es unten im Tal zu sehen gab. Abseits des Ödenturms flatterte die schwarz-weiße Stadtfahne mit der Rose in der Mitte im sanften Sommerwind.
    Häberle hatte mit wenigen Schritten die Eingangstür erreicht, die im dicken Gemäuer des Turmes zurückversetzt angebracht war. Dass sie nicht offen stand, wie dies Häberle von seinem letzten sonntäglichen Besuch in Erinnerung hatte, verwunderte ihn. Als er dann jedoch die Türklinke niederdrückte und öffnen wollte, war er vollends irritiert. »Geschlossen«, stellte er so laut fest, dass Linkohr es hören konnte. Während er ein zweites und drittes Mal mit aller Kraft an ihr zerrte und

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