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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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rebellierenden Gedanken zu legen, die ihr den nahenden runden Geburtstag so drohend erscheinen ließen.
    Sie hatte gerade ihre Handtasche auf den Schreibtisch gestellt, um zum wiederholten Male den kleinen Taschenspiegel herauszukramen, mit dem sie den Zustand ihres Make-ups überprüfte, als eine junge Mitarbeiterin die angelehnte Bürotür aufschob.
    »Entschuldigen Sie«, machte sich die knapp 17-Jährige bemerkbar, die in Ermangelung einer Lehrstelle hier einen Hilfsjob gefunden hatte.
    Gaby Büttner fühlte sich ertappt und steckte den Spiegel rasch wieder in die Handtasche zurück. »Ja?«, fragte sie leicht gereizt.
    » Die Speidel hat sich schon wieder krankgemeldet«, erklärte das Mädchen, um sofort wieder im Nebenraum zu verschwinden.
    »Hat sie selbst angerufen?«, wollte die Chefin wissen und stellte die Handtasche neben sich auf den Boden.
    »Nein, ihr Mann«, kam die Antwort durch die angelehnte Tür.
    Gaby Büttner machte sich Notizen. Wenn sie sich richtig entsann, war es das dritte oder vierte Mal, dass diese Frau montags nicht an ihrem Arbeitsplatz erschien. Immer montags. Das konnte kein Zufall sein.
    »Die ist immer noch bei dieser Firma im Donautal eingesetzt?«, vergewisserte sie sich, worauf das Mädchen im Vorzimmer bestätigte: »Ja, immer noch.«
    Die Frau lehnte sich in ihrem Schreibtischsessel zurück, sodass die bewegliche Lehne nachgab. Personen wie diese Speidel konnten jede Menge Ärger bereiten. Kaum hatte man für sie mühsam einen Job gefunden, mit dem sie einigermaßen zurechtkamen, begannen sie ihn wieder aufs Spiel zu setzen. Zwar waren Zeitarbeiter in der Industrie sehr begehrt, weil die Firmen mit ihnen kein direktes Vertragsverhältnis eingingen und sich somit geschickt um Tarifverträge mogeln konnten, doch wurde auf Zuverlässigkeit trotzdem allergrößten Wert gelegt. Gab es Probleme, landeten die Beschwerden schneller als es den Betroffenen lieb war auf dem Schreibtisch der Chefin dieser Zeitarbeitsfirma. Hatte sie anfangs noch sehr viel Verständnis für die vermittelten Personen aufgebracht, so war dies im Laufe der Jahre zusehends dahingeschmolzen. Viel zu oft war ihre soziale Ader, mit der sie einst das kleine Unternehmen aufgebaut hatte, ausgenutzt worden. Inzwischen traf sie unter den Bewerbern, die ihr die Agentur für Arbeit andiente, eine strenge Auswahl. Und eigentlich, so dachte sie jetzt, hatte sie bei dieser Speidel anfangs ein sehr gutes Gefühl gehabt, ihr persönlich geholfen und ihr sogar einmal einen Gefallen erwiesen. Die Frau, die offenbar dringend Geld brauchte, war ihr als arbeitswillig erschienen und hatte ihr ein bisschen leidgetan. Natürlich war der Job in einer Putzkolonne, die im Industriegebiet Donautal Büroräume reinigte, nicht gerade vom Feinsten.
    Gaby Büttner versuchte, sich die Frau vorzustellen, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatte. Ein Gesicht wollte ihr dazu einfach nicht einfallen, dafür aber das Gespräch, das sie mit ihr geführt hatte: Der Mann seit Langem arbeitslos, sie offenbar von der Alkoholsucht geheilt, sofern man dies so bezeichnen konnte. Eigentlich tragische Verhältnisse. Am Rande der Gesellschaft spielten sich eben oft Dramen ab, von denen niemand wirklich Kenntnis nahm – und die von den Politikern nicht für möglich gehalten oder schöngeredet wurden. Die Firmenchefin schloss für einen Moment die Augen und dachte über ihre eigene Theorie nach, wonach es in diesem Lande viele Parallelgesellschaften gab, die nur wenige Verknüpfungspunkte miteinander hatten. Einen davon stellte ihre Zeitarbeitsfirma dar, die einerseits vielen Menschen zu einem Job verhalf, andererseits aber den Firmen meist billige, vor allem aber nicht an Tarifverträge gebundene Arbeitskräfte vermittelte, von denen viele durch alle Raster fielen.
    Der schrille Ton des Telefons holte sie in die Realität zurück. Gaby Büttner nahm wieder eine aufrechte Sitzhaltung ein, während sie zum Hörer griff. Ihr blasses Gesicht deutete ein Lächeln an. »Hallo«, sagte sie und fügte hinzu: »Einen Augenblick.« Sie legte den Hörer beiseite, ging zur Tür und zog sie vollends zu.
    »Jetzt sind wir ungestört«, erklärte sie, als sie wieder hinterm Schreibtisch saß und den Hörer in der Hand hielt. »Schön, dass du anrufst.«
    Die Männerstimme zögerte. »Es ist … es ist, glaub ich, etwas Schreckliches geschehen.«
    Gaby Büttner spürte, wie diese wenigen Worte ihren ganzen Körper erfassten und alle Energie herauszogen. Sie starrte

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