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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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geschlagen.
    Hätte es damals, in den frühen 80er-Jahren, das allgemeine Talkshow-Fieber schon gegeben, wäre Taler mit seinem Nilhecht vermutlich in den Fernsehstudios der ganzen Welt vertreten gewesen.
    An diesem Montagnachmittag hatte der frischgebackene Pensionär einen lange geplanten Termin mit den Spitzen des Albwerks. Telefonisch hatte ihm allerdings Bodlings Sekretärin mitgeteilt, dass nur der kaufmännische Leiter Alfred Feucht zur Verfügung stehe. Der Geschäftsführer selbst sei aufgrund des Todesfalls eines Mitarbeiters verhindert. Taler wollte nicht nachfragen, was geschehen war, sondern zeigte sich damit einverstanden, die Angelegenheit mit Feucht allein zu besprechen.
    »Wir sind der Auffassung, dass wir einen entscheidenden Schritt weitergekommen sind«, begann Feucht das Gespräch, das in einem kleinen Konferenzzimmer in der Chefetage stattfand. Er bot seinem Gegenüber Kaffee aus einer bereitgestellten Kanne an.
    »Nun ja«, begann Taler und ließ sich einschenken, »damit hab ich gerechnet. Die Zeit ist reif, mein lieber Herr Feucht. Wenn nicht jetzt, wann dann?« Er verzog sein Gesicht zu einem Grinsen, während der blasse Feucht sich in sachlicher Zurückhaltung übte und sich auch Kaffee eingoss.
    »Und ich sag Ihnen«, fuhr der Pensionär fort, »reihum sitzen sie alle in den Startlöchern. Und wenn es uns gelingt, die Nase vorn zu haben, schauen die ziemlich dumm aus der Wäsche.«
    »Die Finanzkrise hat das Engagement, so wie ich es einschätze, durchaus gedämpft«, gab sich der Betriebswirtschaftler eher pessimistisch.
    »Was heißt gedämpft?« Taler nahm einen Schluck des heißen Kaffees. »Wenn etwas gedämpft wird, das eigentlich aufstreben will, dann kommt es erst recht mit aller Macht ans Tageslicht. Wie die Schneeglöckchen und Krokusse, die viel zu lang unter der Schneeschicht gewartet haben. Aber wenn ihre Zeit gekommen ist, dann kann sie nichts mehr stoppen. Ich sag Ihnen, Herr Feucht: Wenn unsere Bottiche erst mal da oben stehen, läuft das Ding wie geschmiert.«
    Taler verstand es trefflich, seine Zuhörer durch Optimismus und Verniedlichung der Probleme in seinen Bann zu ziehen. Wenn er von Bottichen sprach, dann meinte er die Kessel- und Tankanlage, die im neuen Gewerbegebiet droben auf der Albhochfläche einmal Methangas produzieren sollte. Und zwar nicht aus landwirtschaftlichen Produkten, wie dies bei der Erzeugung von sogenanntem Biogas oft kritisiert wurde, sondern aus teilweise minderwertigem Holz. Weil diese innovative Technologie, die für den großen Dauereinsatz zuerst noch konzipiert werden musste, eine gewisse Signalwirkung für den Energiesektor haben würde, hatte Taler schon vor Monaten von einem Leuchtturm-Projekt gesprochen. Er war zufrieden gewesen, es noch vor seiner Pensionierung anleiern zu können, doch nun als Pensionär wollte er es beratend weiterbegleiten.
    »Die Vorbehalte, die uns vonseiten mancher Politiker entgegengebracht werden, sind weiterhin spürbar«, stellte Feucht fest.
    »Je mehr Torpedos gegen uns abgeschossen werden, desto mehr dürfen wir uns bestätigt fühlen«, erwiderte Taler schlagfertig. »Wir greifen die Riesen halt auch mächtig an. Aber was stört es eine deutsche Eiche, wenn ein Eber sich an ihr kratzt?«
    Feucht verzog keine Miene. »Sie wissen selbst, wie sehr wir auf Zuschüsse des Landes und des Bundes angewiesen sind«, gab er mit der Sachlichkeit und stoischen Beharrlichkeit eines Buchhalters aus der Ärmelschonerzeit zu bedenken. »Das Land hat zwar zugesagt, aber der Bund zögert.«
    »Da machen Sie sich mal keine Sorgen«, beruhigte Taler und sah durchs Fenster zu den Albhängen hinüber, die nach dem langen harten Winter ganz schnell grün geworden waren. »Dass sich da ein paar Herren in die Hosen machen, mag sein. Aber, lieber Herr Feucht, passen Sie mal auf: Das Ding kriegen wir hin. Wir haben kompetente Mitgesellschafter an Bord – da kegelt uns keiner mehr raus.«
    Feucht überlegte. Sein Zögern verunsicherte Taler. »Oder gibt es etwas, das ich noch nicht weiß?«, fragte er leicht irritiert.
    Feucht rang nach Worten und nickte vorsichtig.
     
    *
     
    Arthur Speidel hatte die Regionalnachrichten des Südwestrundfunks gehört. Die Leiche, die er heute früh in den Weiherwiesen gefunden hatte, war kurz erwähnt worden – und dass die Kriminalpolizei inzwischen von einem Tötungsdelikt ausgehe. Er steckte sich eine Zigarette an und sah durch das kleine Fenster des Wohnzimmers auf die triste Wand des

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