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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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drängte Bodling. Es war ein Tonfall, wie ihn Wollek an seinem Chef nicht gewohnt war. Deshalb unternahm er auch gleich gar keinen weiteren Versuch, mehr von ihm zu erfahren.
    »Okay, ich komme«, sagte er schließlich und legte auf.
    Als er wieder im Esszimmer stand, war sein Gesicht aschfahl geworden.
    »Ist was?«, fragte seine Frau besorgt.
    Er ließ sich langsam auf dem Stuhl neben ihr nieder. »Büttner ist tot«, erwiderte er abwesend.
    »Büttner, dein Kollege?«
    Er nickte und holte tief Luft.
    »Du meinst aber nicht, dass sie ihn …?« Luisa wollte es nicht aussprechen. Schlagartig kam ihr in Erinnerung, was Markus noch vor seiner Abreise erzählt hatte – über den gnadenlosen Konkurrenzkampf, der seit Monaten tobte, und über seinen Bruder Uwe.
    Markus Wollek zuckte ratlos mit den Schultern.
     
    *
     
    Georg Sander und seine Partnerin Doris waren viele Stunden zu Fuß in Bergen unterwegs gewesen, hatten auf dem Fischmarkt einen Fischteller gegessen und waren mit der Standseilbahn zum Aussichtspunkt Floyen hinaufgefahren. Die Stadt hatte sich bei herrlichstem Wetter traumhaft präsentiert – insbesondere das Hanse-Viertel Bryggen, ein von der UNESCO anerkanntes Weltkulturerbe. Es war allein die Postkartenansicht dieser rekonstruierten Häuserzeile, die das Bild dieser Stadt ins Bewusstsein der ausländischen Besucher rückte und einen bleibenden Eindruck hinterließ.
    Weil Sander gelesen hatte, dass es in Bergen so gut wie aussichtslos war, einen Parkplatz für das Wohnmobil zu finden, hatten sie es auf dem Campingplatz stehen lassen und waren die 20 Kilometer mit dem Linienbus gefahren. Eine zwar etwas aufwendige Angelegenheit, weil mit Umsteigen in Nesttun verbunden, dafür aber nervenschonender.
    Gerade, am frühen Abend, wieder zum Wohnmobil zurückgekehrt, fühlten sie sich müde und schlapp. Doris war ins Toilettengebäude rübergegangen, während Sander sich in den nach hinten gedrehten Beifahrersitz lümmelte und einige Tagebucheinträge machte. Er ließ sich erst ablenken, als das Handy, das in der Armaturenbrettablage verstaut war, eine SMS meldete. Sander sah, dass sein Redaktionskollege Michael Rahn eine Botschaft geschickt hatte – wie er dies immer dann tat, wenn’s von daheim eine Neuigkeit gab. ›Hallo, Nordlandfahrer‹, las Sander, ›du hast einiges verpasst: Mord im Weiherwiesensee. Haben aber alles im Griff. Schöne Tage noch.‹
    Sander konnte den Blick vom Display nicht lösen. Er las den Text noch einmal. Sein Herz begann wie wild zu pochen. Noch einmal überflog er die Kurzmitteilung, prägte sie sich ein und beschloss, sie sofort zu löschen.

16
    Hasso Schweizer hatte sich den Abend anders vorgestellt. Als er heute früh die Kurzmitteilung erhalten hatte, inmitten der Besprechung mit Bodling, hatte er sich für einen Moment gefühlt wie ein Teenager. ›Ich hab Sehnsucht. Sehen wir uns um 19 Uhr bei mir?‹, war auf dem Display zu lesen gewesen. Mit einem Schlag hatte er sich nicht mehr auf das Gespräch konzentrieren können. Am liebsten hätte er sofort geantwortet, und entsprechende Worte zurückgeschrieben. Doch er hatte noch endlos lange 20 Minuten warten müssen, bis die Konferenz beendet war. Gaby verstand es, ihn immer wieder aufs Neue zu überraschen. Seit ihre Beziehung enger geworden war, verging kein Tag, an dem sie nicht mehrere Botschaften miteinander austauschten.
    Doch diesmal wurde die Freude, die mit einem Gefühl von Schmetterlingen im Bauch einherging, um die Mittagszeit von der Nachricht getrübt, dass Frank, ihr Mann, tot aufgefunden worden war. Schweizer hatte sich verpflichtet gefühlt, es ihr am Telefon schonend beizubringen, noch ehe es die Polizei tun konnte. Und deshalb war er gleich nach Büroschluss nach Ulm gefahren, um ihr beizustehen. Allerdings fiel es ihm schwer, sich in ihre Gemütslage hineinzuversetzen. Schließlich war sie vor einem Monat ausgezogen, um ein neues Leben anzufangen, wie sie es immer formulierte. Ein neues Leben – ohne Frank, ohne seine Hobbys, ohne seine vielen Dienstreisen.
    Spätestens, als ihre Tochter zu ihrem Mann, Gabys Schwiergersohn, nach Norwegen gezogen war, hatte sie den Entschluss gefasst, sich selbst zu verwirklichen. Ihre Zeitarbeitsfirma boomte ohnehin und bedurfte des vollen Einsatzes. Je schlechter die wirtschaftliche Lage, desto größer war in der Industrie die Nachfrage nach Arbeitskräften, die man nach Belieben anheuern und feuern konnte, wenngleich – angesichts der globalen Finanzkrise, deren

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