Kurzschluss
Lücke zwischen den herannahenden Pkws nicht.
Wollek kämmte sich, zupfte an seinem Jeanshemd und kam ins Esszimmer, wo der eingegossene Kaffee seinen Duft verbreitete.
»Und – wie geht’s dir, Lieschen?«, fragte er lächelnd. Lieschen war der Kosename, den er vom ersten Tag ihres Kennenlernens an aus Luisa gemacht hatte. Noch immer ist sie so hübsch wie damals, dachte er. Das dunkle Kleid stand ihr prächtig, und ihr Lächeln hatte nichts von diesem geheimnisvollen Charme verloren, der ihm bereits beim ersten Blickkontakt aufgefallen war.
»Ich hab die Tage ohne dich überstanden«, grinste sie spitzbübisch, während er den ersten Schluck des belebenden Gebräus genoss.
»Och«, gab er sich enttäuscht, »und ich dachte, du verzehrst dich nach dem Tag des Wiedersehens.«
»Du alter Angeber«, erwiderte sie, keck eine Augenbraue hebend. »Du turtelst mit deiner Tante rum und ich sitz auf dem Land und kümmer mich um die Kinder.«
»Rumturteln ist gut. Klara ist inzwischen hochgradig dement und wird demnächst 91. Es macht überhaupt keinen Sinn, sie zu besuchen. Ich hab das jetzt auch mit der Heimleitung so besprochen.«
»Das kannst du mir später in aller Ruhe erzählen«, schlug sie vor, und berichtete, was es von den Kindern Neues zu vermelden gab. Die alte Tante, die eigentlich nicht wirklich seine Tante war, sondern eine entfernte Verwandte, interessierte sie persönlich nur am Rande. Markus kümmerte sich um sie, weil es niemanden gab, der sich verantwortlich fühlte. Und ob es jemals etwas zu erben gab, stand in den Sternen. Aber seit Klara in diesem Pflegeheim in Pirna lebte, ein paar Kilometer östlich von Dresden, fuhr er zwei-, dreimal im Jahr dort hin, um auch gegenüber der Heimleitung sein Interesse zu dokumentieren. Die paar Tage, die er dann unterwegs war, nutzte er für eine persönliche Auszeit, weshalb er sich auch nie im Hotel einquartierte, sondern das Wohnmobil auf den gepflegten Campingplatz am Rande der Stadt fuhr. Einmal waren auch Luisa und die Kinder dabei gewesen. Vom Campingplatz aus hatten sie Radtouren entlang der Elbe unternommen.
»Hat dich eigentlich Bodling erreicht?«, fragte Luisa plötzlich.
»Bodling?«, staunte Markus. »Wann?«
»Na ja, vor einer halben Stunde etwa.«
»Hat er gesagt, was er will?«, zeigte sich ihr Mann interessiert.
»Nein, hat er nicht. Ich hab ihm vorgeschlagen, er soll dich auf dem Handy anrufen. Hat er das nicht getan?«
»Nein – das heißt, ich hab’s nach unserem Gespräch wieder abgeschaltet.«
Sie wollte nichts dazu sagen. Es war in ihren Augen eine unsinnige Angewohnheit, das Handy abzuschalten und es nur für eigene Gespräche zu nutzen. Aber obwohl sie Markus schon zigmal gebeten hatte, das Gerät ständig anzulassen – es nutzte nichts. Er wolle nicht immer erreichbar sein, schon gar nicht im Urlaub, argumentierte er. Dass aber auch sie ihn einmal dringend würde sprechen wollen, ließ er nicht gelten. »Früher hat’s das auch nicht gegeben«, pflegte er auf ihre Vorhalte zu entgegnen. Er sei einst in Marokko gewesen und seine Eltern hätten zwei Wochen lang nichts von ihm gehört, weil damals nicht mal übers Festnetz habe telefoniert werden können.
Wenn jetzt aber Bodling nach ihm verlangte, erschien es ihm geboten, sich bei ihm zu melden. »Ich ruf ihn kurz an«, entschied er und verschwand in seinem Büro, wo eines der Mobilteile in der Ladeschale steckte. Er ließ sich in den Schreibtischsessel fallen, drückte die Nummer Bodlings, von dem er überzeugt war, dass er sich noch in der Firma aufhielt. Dabei wanderte sein Blick über den Terminkalender, in dem einige wichtige Geschäftstermine mit gelbem Leuchtstift angestrichen waren.
Bodling hob unerwartet schnell ab. Kaum hatte sich auch Wollek gemeldet, kam der Chef sofort zur Sache: »Wir brauchen Sie dringend. Büttner ist tot.«
Wollek schluckte schwer und schwieg.
»Könnten Sie in der nächsten Stunde kommen?«, fragte Bodling in die entstandene Stille hinein. Es klang aber weniger nach einer Frage, als nach einer Aufforderung.
»Büttner ist tot?«, wiederholte Wollek mit trockener Kehle, als wolle er es noch einmal hören.
»Büttner ist tot«, bestätigte Bodling ungeduldig. »Umgebracht. Wir haben die Kripo im Haus.«
Wollek holte tief Luft und sah durchs Fenster in die Dämmerung hinaus. »Ich versteh nicht so recht. Er wurde umgebracht? Und was … was hat das mit uns, ich meine – mit mir zu tun?«
»Wir müssen das bereden, dringend«,
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