Kurzschluss
Gesichter der Journalisten, die in den Lehrsaal der benachbarten Feuerwehr gekommen waren. Sie hatten mit detaillierteren Schilderungen gerechnet.
»Dafür hätt mr net komma müssa«, murrte die Dame des lokalen Fernsehsenders Filstalwelle, die mit Kameramann angerückt war. Neben ihnen waren lediglich ein Jungredakteur der Geislinger Zeitung sowie ein Journalist und eine Journalistin der beiden Stuttgarter Tageszeitungen anwesend.
»Wir danken Ihnen für Ihr Interesse«, begann Stock, der an der Oberkante einer U-förmigen Tischformation zwischen Ziegler und Direktionsleiter Baldachin saß. »Den äußeren Sachverhalt entnehmen Sie bitte der ausgeteilten Pressemitteilung«, sagte er knapp und zog ein Gesicht, dem anzusehen war, dass er jetzt lieber Feierabend gemacht hätte.
»Meine Damen und Herren«, ergriff Ziegler das Wort und blickte in die Kamera. »Wie Sie wissen, haben wir es mit einem Tötungsdelikt zu tun. Der Tatort ist uns nicht bekannt, auch wissen wir nicht genau, wann die Person getötet wurde. Aufgefunden hat sie ein Spaziergänger heute Morgen gegen 6 Uhr.« Ziegler erläuterte die Todesursache und dass die Leiche des Mannes mit einem Stein beschwert worden war.
Die Journalisten lasen mit, denn diese Angaben hatte Stock schriftlich verteilen dürfen.
»Uns geht es in erster Linie nun darum, weitere Zeugen zu finden. Wir wollen wissen, wer in den vergangenen Tagen am Weiherwiesensee verdächtige Beobachtungen gemacht hat, insbesondere einen Geländewagen oder ein anderes größeres Fahrzeug gesehen hat. Wir haben nämlich im weichen Untergrund entsprechende Reifenspuren gefunden.« Er machte eine Pause, um den Journalisten Zeit zum Mitschreiben zu geben. »Bei dem Toten, das wissen wir, handelt es sich um einen
48-jährigen Mann aus Geislingen, der von seiner Frau getrennt lebt. Wie es sich derzeit darstellt, ist sein Fahrzeug verschwunden. Es handelt sich den Erkenntnissen zufolge um einen schwarzen Geländewagen der Marke Ford Kuga. Wir sollten also wissen, wo dieses Fahrzeug abgestellt wurde. Möglicherweise ist der Getötete damit zu einem Treffen mit dem Täter gefahren. Oder der Täter hat sich des Fahrzeugs seines Opfers bemächtigt, ist entweder damit noch unterwegs oder er hat es irgendwo abgestellt.«
»Eine Zwischenfrage«, stoppte der Jungredakteur den Redefluss. »Hatte denn das Opfer einen Autoschlüssel dabei?«
Ziegler sah etwas hilflos zum Direktionsleiter, der dies als Aufforderung für eine Antwort verstand: »Nein, das hatte er nicht. Er hatte außer einem Geldbeutel mit ein paar wenigen Euro nichts bei sich. Keine Schlüssel und auch kein Handy, falls es Sie interessiert.«
Die Journalisten notierten es. Der junge Redakteur, der offenbar Sander nachzueifern versuchte, wie Ziegler es empfand, hakte nach: »Also auch keinen Hausschlüssel?«
»Auch keinen Hausschlüssel«, bestätigte der Direktionsleiter.
»Zu einem möglichen Motiv«, wechselte der Staatsanwalt das Thema, »können wir Ihnen leider noch nichts sagen. Wir stehen erst ganz am Anfang und ermitteln in alle Richtungen.«
Die Vertreterin einer der beiden Stuttgarter Zeitungen wollte ebenfalls Konkreteres hören: »Was sagt denn seine Exfrau? Außerdem gibt’s doch sicher auch andere Familienangehörige – oder Arbeitskollegen.«
»Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass wir Ihnen dazu zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts sagen können«, wiegelte Ziegler mit ruhiger und sachlicher Stimme ab. »Sobald wir uns ein Gesamtbild verschafft haben, werden wir Sie unterrichten. Wir haben noch eine weitere Bitte an Sie.« Er griff zu einem Schnellhefter. »Unser Herr Stock hat der Pressemappe ein paar Fotos beigelegt, die den Stein zeigen, der dem Opfer mit einem Seil um den Hals gebunden war. Es wäre sehr hilfreich, wenn Sie das Bild veröffentlichen könnten. Vielleicht vermisst jemand so einen Stein. Es handelt sich um sogenannten Würzburger Muschelkalk.«
»Ob es jemandem auffällt, wenn ihm ein Stein gestohlen wird, wage ich zu bezweifeln«, murrte der Mitarbeiter der anderen Stuttgarter Tageszeitung.
»Sagen Sie das nicht«, konterte der Direktionsleiter. »Diese Gesteinsart wird in der Gartengestaltung immer öfter für Trockenmauern benutzt, zumindest hierzulande. Wenn in so einer Mauer plötzlich ein Stein fehlt, müsste das auffallen.« Er grinste. »Zumindest einem schwäbischen Häuslesbesitzer dürfte es auffallen.«
»Wenn man ihn nicht vom Lagerplatz einer Baustofffirma geklaut hat«, blieb
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