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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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des jeweiligen Anschlusses gespeichert werden. Es gab in dieser global vernetzten Gesellschaft nichts mehr, was nicht irgendwo Spuren hinterließ. Die Speicherkapazitäten waren inzwischen ins Unermessliche gestiegen. Alles, was die Staatssicherheit der einstigen DDR notiert und gespeichert hat, erschien aus heutiger Sicht wie der lächerliche Versuch von Kindern, ein handschriftliches Tagebuch über andere zu führen.
    Und wenn wieder irgendwo ein angeblicher Datenskandal aufgedeckt wurde, bei Supermarktketten, Telekommunikationsunternehmen oder der Eisenbahn, dann war das doch nur die Spitze des Eisberges, pflegte Häberle zu sagen. Alle Welt legte in solchen Fällen große Aufgeregtheit an den Tag, als ob es völlig aus der Luft gegriffen wäre, dass überall und ständig Daten gehortet wurden. Mag das noch so verboten sein – was machbar ist, wurde gemacht.
    »Und dieser Speicherstick, den die Feuerwehr gefunden hat?« Es war Linkohrs Stimme. Sie klang müde und abgespannt.
    »Der gibt uns tatsächlich Rätsel auf, wenn man es so sagen will«, sagte Häberle. »Wir können drüber spekulieren, wer ihn verloren hat. Jedenfalls hat das, was drauf gespeichert ist, weder mit Strom noch mit Büttners Sinn für die schöne Weiblichkeit etwas zu tun.«
    »Sondern?«
    »Mit Bibern.«
    »Mit was bitte?«
    »Bibern. Es ist eine lange Abhandlung über den Biber samt Fotos drauf gespeichert. Und darüber, dass er unter strengstem Naturschutz steht.«
    »Ich versteh das richtig«, unterbrach Linkohr, »Sie reden von einem Nagetier.«
    »Ja, Biber«, wiederholte Häberle. »Sie können’s selber nachlesen. Vor 150 Jahren galt er in Deutschland als ausgestorben und nun hat man irgendwo im Bayerischen versucht, ihn wieder anzusiedeln. Ziemlich erfolgreich, wie es heißt. Aber, wie gesagt, Sie können’s selbst nachlesen.«
    Ungläubiges Gelächter war zu hören.
     
    *
     
    Wolfgang Taler hatte noch in der Nacht von der Explosion im Umspannwerk gehört, war jedoch nicht hinausgefahren. Dass er jetzt am Vormittag den Chef des Stromversorgungsunternehmens nicht antraf, irritierte ihn. Wie immer war Taler ohne sich anzumelden, ins Sekretariat vorgedrungen.
    »Tut mir leid«, lächelte ihn Silke Rothfuß charmant an. Ihre langen blonden Haare schmiegten sich um ihre schmalen Schultern. »Herr Bodling kommt später. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was heute Nacht …«
    »Schon gut«, unterbrach sie Taler und grinste. »Es muss ja nicht immer der Chef sein. Manche Dinge erledigt man besser im Vorzimmer.« Wieder war es seine vollmundige Art – diese Mischung aus Frohnatur und einem ausgeprägten Selbstbewusstsein, die jeglichen Widerstand zu brechen vermochte. Als Berater des Unternehmens in Sachen Energie genoss er ohnehin hier im Hause großes Ansehen und durfte sich sogar des Sekretariats bedienen. Er zog die Tür hinter sich zu, nahm lässig einen Besucherstuhl und rückte ihn an den Schreibtisch von Silke Rothfuß heran. »Schön, Sie wiederzusehen«, schmeichelte er. »Wo sind denn Ihre Kolleginnen?«
    »Hätten Sie lieber mit denen geplaudert?«, kam es provokant zurück. »Die eine hat Urlaub und die andere hat ausgerechnet diese Woche dringend was Privates erledigen müssen. Deshalb habe ich mal wieder randürfen.«
    Er blieb noch für einen Moment stehen und lächelte sie auffordernd an: »Wir könnten unseren Plausch ja in einem Kaffeehaus fortsetzen – oder bricht dann der Laden hier zusammen?« Er spürte, dass er mit diesem Vorschlag auf keine große Gegenliebe stieß und setzte sich.
    »Na ja«, erwiderte sie genauso frech, »zusammenbrechen nicht gerade. Aber ich denke, Herr Bodling wäre nicht sehr begeistert, wenn keiner das Telefon abnimmt.«
    »Okay, passen Sie auf. Herr Bodling hat mich gebeten, rauszufinden, ob hier im Betrieb alles seinen geordneten Weg geht.« Sein Gesichtsausdruck wurde ernst. »Das hat nichts mit Ihnen zu tun. Aber er hat gemeint, Sie könnten mir ein paar Dinge erzählen – über den organisatorischen Ablauf und über interne, na, sagen wir mal, Zusammenhänge, die nicht jeder gleich versteht.« Er sah ihr in die Augen. »Sie sind oft genug da und haben hinreichend Einblicke, um mir ein bisschen was erzählen zu können. Es ist doch besser, wir klären hausintern mögliche Ungereimtheiten, bevor die Polizei drin rumkruschtelt.« Manchmal versuchte er, einige schwäbische Wortfetzen einfließen zu lassen, um besonders vertrauenerweckend zu wirken.
    »Was heißt rumkruschteln?«,

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