Kurzschluss
wiederholte sie und tat so, als ob ihr dieser Begriff fremd wäre.
»Sie können sich ja vorstellen, was da los ist bei der Polizei. Da fliegt uns ein Umspannwerk um die Ohren, es liegt eine Leiche im See da draußen; das hat denen keinen gemütlichen Dienstag beschert, denke ich mal. Wissen Sie«, er lehnte sich zurück, »es gibt ja ein paar Leute im Haus, die an den Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Das ist neben Bodling selbst der Büttner, den’s nicht mehr gibt, der nicht mehr viel ausplaudern kann – und das ist der Herr Feucht, das ist Herr Wollek, der Herr Schweizer, Ihre beiden Kolleginnen, die jetzt nicht da sind – und vielleicht noch Sie.« Er zuckte kurz mit der rechten Backe, wie er dies immer tat, wenn er etwas ironisch verstanden wissen wollte.
Ihre Gesichtsfarbe veränderte sich. »Ich?«, wiederholte sie und spielte mit einem Kugelschreiber. »Ich bin in keine Entscheidungsprozesse eingebunden – ich am allerwenigsten. Ich bin nur die Aushilfe.«
»Okay, Mädchen«, sagte er, wohl wissend, dass sie dies vermutlich nicht gern hörte. »Vielleicht hab ich es falsch ausgedrückt: nicht eingebunden, aber darüber informiert, was so läuft im Hause hier.«
»Und warum fragen Sie den Herrn Bodling nicht selbst? Er kommt sicher in ein, zwei Stunden wieder.«
»Der Chef will, dass ich das mache; ich sagte es Ihnen doch schon.« Er versuchte locker und lässig zu wirken – eine Art, die ihm in seiner langjährigen Berufslaufbahn immer weitergeholfen hatte. »Die beiden Herren Büttner und Wollek waren wohl außer Haus. Der eine bei einer Tagung in Leipzig, wenn ich das richtig verstehe; der andere, Herr Wollek, hatte Urlaub, stimmt das?«
Sie nickte eifrig und fummelte mit der Computermaus über die Schreibtischplatte, weil auf dem Monitor der Bildschirmschoner erschienen war und eine Landschaftsaufnahme zeigte.
»Was für ein schönes Bild Sie da haben! Ist das von Ihnen?«, fragte er interessiert, stand auf und näherte sich dem Monitor, wo jedoch bereits wieder das Schreibprogramm zu sehen war.
Sie wirkte für einen Moment verunsichert. »Ach so, ja, nein – hab ich nicht gemacht. Hat ein Bekannter von mir geknipst. Im letzten Urlaub. Der Kollegin hat’s auch gefallen, deshalb hab ich’s ihr auf ihrem Computer eingerichtet.«
»War das in Deutschland?«, wollte Taler wissen. »Irgendwie kam mir das gerade bekannt vor.«
»Äh, ja. Deutschland, neue Bundesländer.« Kaum hatte sie dies gesagt, ärgerte sie sich über ihr Gestammel.
»Ach ja, da gibt es jede Menge unberührte Landschaften. Wo waren Sie denn da?«
Sie zögerte. »Es war ganz weit oben, weiß gar nicht mehr so genau, wie das geheißen hat. Mein Bekannter ist gefahren. Wir haben in einer Stadt gewohnt, die hieß Malchow oder so ähnlich.«
»Ach, Malchow, schöne Gegend. Seenplatte, Mecklenburg- Vorpommern, tolle Gegend.« Taler nickte dabei, ging wieder einen Schritt zurück und wechselte das Thema: »Dieser Büttner, so hört man, soll ja eine interessante Nebenbeschäftigung gehabt haben. Filme und so ’n Zeugs. Jedenfalls hat mir das der Herr Bodling erzählt.«
»Ja, ich glaube, Filme. Das kann sein. Ich hab mit Herrn Büttner wenig Kontakt gehabt und ich kann dazu kaum etwas sagen.«
»Es sollen wohl Filme über seinen Job gewesen sein – und sogar irgendwelche Dokumentarfilme über Stromversorgung und die aktuelle Situation«, half ihr Taler auf die Sprünge, rückte sich seinen Stuhl zurecht und setzte sich wieder.
»So habe ich das auch gehört. Hat Herr Bodling mal angedeutet. Büttner hat ihm mal eine DVD mitgebracht, wenn ich mich richtig entsinne. Aber was da drauf war, weiß ich nicht. Hat mich nicht sonderlich interessiert.« Sie warf ihre Mähne über die Schultern und bewegte die Maus hin und her.
»Er war also nicht nur geschäftlich unterwegs«, konstatierte Taler und schlug die Beine übereinander. »Manchmal dann wohl auch wegen seiner Filme. Herr Bodling hat seine Recherche toleriert und gefördert.« Taler ließ es nicht nach einer Frage, sondern nach einer Feststellung klingen und wartete gespannt auf eine Antwort.
Doch Silke Rothfuß hatte längst ihr Selbstbewusstsein wieder gefunden: »So genau weiß ich das auch nicht. Ich bin nicht ständig hier. Warten Sie doch auf Herrn Bodling, der wird’s Ihnen sicher sagen. Wir führen hier keine Urlaubslisten – das macht die Personalabteilung. Ich kann nicht sagen, ob jemand regulären Urlaub hat oder ob er freigestellt wurde für
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