Kurzschluss
Schweizer?«
»Sitzt drüben in seinem Büro. Einer muss ja hier noch was tun. Fürs Kerngeschäft, wie man so schön sagt.«
»Hm«, brummte Taler nachdenklich und atmete tief durch. »Und Sie, gnädige Frau?« Er hob die Stimme leicht an. »Darf ich fragen«, er überlegte, wie er es formulieren sollte, »darf ich fragen, was Sie so tun, wenn Sie nicht bei Herrn Bodling im Vorzimmer sitzen und nicht mit mir Kaffee trinken gehen wollen?« Er ging voll in die Offensive.
»Außerhalb der Geschäftszeit können wir gerne Kaffee trinken gehen«, erwiderte sie völlig unerwartet. Taler war für einen Moment sprachlos, was selten vorkam.
»Ich freue mich drauf«, sagte er schließlich. »Aber trotzdem würde mich interessieren, was so eine hübsche junge Frau tut, wenn sie Feierabend macht.«
Sie überlegte, drei, vier Sekunden lang, besah sich nervös ihre Fingernägel und gab sich distanziert: »Ich glaube, das hat nun wirklich mit dieser Sache nichts zu tun. Das eine ist beruflich und das andere ist privat – und das habe ich immer getrennt und werde es auch weiterhin tun. Das sollten Sie bitte zur Kenntnis nehmen. Ich gehe gerne mit Ihnen Kaffee trinken.« Sie sah ihn fest an. »Aber mehr bestimmt nicht.«
Er überlegte, worauf sie dies bezogen haben wollte, verwarf aber den Gedanken, sie einfach direkt danach zu fragen. Stattdessen versuchte er, sein Interesse an ihr auf andere Weise zu zeigen. »Sie sind ein Naturmensch«, sagte er deshalb unvermittelt. »Sie mögen die Natur, Sie gehen gern in die Landschaft hinaus. Vielleicht joggen Sie oder Sie schwimmen gern – oder Sie machen einen anderen Outdoorsport. Vielleicht reiten.«
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Wenn Sie’s beruhigt: Ich fahre gern Rad.«
»Ach deswegen Ihre Begeisterung für Mecklenburg und die Seenplatte dort oben. Tolle Radgegend, gar keine Frage, wunderbar eben, endlose Natur.« Taler schwärmte, als sei er der Fremdenverkehrsdirektor dieser Landschaft.
Silke Rothfuß ließ sich tatsächlich aus der Reserve locken. »Ja, Ruhe, vor allen Dingen kein Stress – und sehr viel unberührte Natur. Weite Strecken unbewohnt und darüber hinaus stimmt meist das Preis-Leistungsverhältnis noch. Nicht so wie in Italien, wo Sie manchmal den Eindruck haben, nur eine Touristengans zu sein, die man rupft.«
Taler lachte laut auf. »Da haben Sie recht.« Die Atmosphäre war nun locker genug, um eine ernste Frage nachzuschieben: »Mal angenommen, Sie würden gefragt – von der Kripo oder von wem auch immer –, wem Sie den Mord an Herrn Büttner zutrauen würden. Was würden Sie spontan sagen?«
Ihre Gesichtszüge veränderten sich. Sie wandte ihren Blick von ihm ab und schaute zum Fenster hinüber und hinaus auf die freie öde Fläche des städtischen Sportplatzes. »Was soll ich dazu sagen? Ich würde auf jeden Fall sagen …« Sie überlegte. »Ich würde auf jeden Fall sagen, klipp und klar sagen, dass es keiner aus der Firma war. Keiner.«
»Keiner«, wiederholte er, »keiner und keine?« Wobei er bei dem Wort keine das E am Ende besonders betonte. Sie sah ihn entgeistert an und schwieg.
Vielleicht hatte er sich jetzt sein erhofftes Rendezvous vollständig versaut, dachte er und stand seufzend auf. Er spürte, wie sie ihn von der Seite beobachtete. »Ach ja, da fällt mir noch etwas ein«, wechselte er erneut das Thema. »Sie haben sich kürzlich einen alten Zähler besorgt.« Er blieb stehen und zog ein treuherziges Gesicht.
»Ich? Wie – ich meine, wie kommen Sie denn da drauf?« Silke Rothfuß verlor wieder für einen Moment, wie es schien, ihre kühle Distanziertheit.
»Man hat da so ein Ding gefunden«, erwiderte Taler so lässig, als sei dies alles ein kleiner Scherz. »Da stand die Nummer drauf und der Herr Sauter drunten von der Zählerprüfstelle hat registriert, dass er das alte Ding an Sie rausgegeben hat.«
»Ach, natürlich, jetzt entsinne ich mich.« Silke Rothfuß rückte mit ihrem Stuhl näher an den Schreibtisch heran, sodass ihre Beine vollends unter dem Möbelstück verschwanden. »Natürlich. Das muss im Herbst gewesen sein – eine Bitte von Herrn Büttner. In den Ferien, als ich eine Woche hier ausgeholfen hab. Er hat mich damals beiläufig gefragt, ob ich ihm auf dem offiziellen Dienstweg einen alten Zähler besorgen könne, so einen, der ausgemustert wurde.«
Taler sah aus dem Fenster und tat so, als ob ihn dies alles nicht sonderlich interessiere. »Und wieso hat Herr Büttner das Gerät nicht direkt bei der
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