Kurzschluss
Feuerwehr gerufen.«
Der Kommandant nahm ihn zur Seite und trat näher an ihn heran, um sich trotz des Zuggeräusches Gehör verschaffen zu können. »Es hat ein offenes Feuer gegeben?«
»Ja«, entgegnete der Mann, der einen dunklen Arbeitsmantel trug. »Großes Feuer. Ganz groß.«
»Und haben Sie sonst noch etwas gesehen?«
»Nix gesehen. Kein Auto, kein Person. Nix. Lampen an Straße gleich aus. Auch in Haus bei mir.«
Der Kommandant wollte noch etwas fragen, doch wurde ihm von einem seiner Kollegen ein weiterer Mann zugewiesen. »Grüß Gott«, stellte sich dieser vor, »Müller mein Name, i bin dr technische Leiter vom Albwerk.« Der niederbayerische Dialekt war nicht zu überhören. »Sie san der Einsatzleiter?«, fragte er gleich.
»Ja, Bergner«, begrüßte ihn der Kommandant mit Handschlag und bat den Türken, sich für einen Moment zu gedulden.
»Mir hob’n jetzt olles obg’scholtet«, meldete Müller, ein schlanker Mann Mitte 50. »Es hot uns sowieso olles ausi g’hau’n.«
»Als wir hier eingetroffen sind«, schilderte Bergner die Situation, »da hat’s nur noch gequalmt. Ein Löschangriff wäre aber sowieso nicht infrage gekommen, solange unklar war, ob noch Spannung drauf war.«
Müller deutete zur Anlage, zu der von beiden Hangseiten mächtige Überlandleitungen herabführten. Im Licht der Scheinwerfer, die Feuerwehr und Technisches Hilfswerk gerade installierten, war zu erkennen, dass einer der miteinander verdrahteten Transformatoren starke Verkohlungen und Beschädigungen aufwies.
»Do müass’n S’ schau’n, ob net was ausg’lauf’n is«, meinte der Techniker vom Albwerk. »In den Transformatoren is Isolieröl drin.«
»Wenn alles abgeschaltet ist, werden wir das sofort veranlassen«, bestätigte Bergner, gab über Funk eine entsprechende Anweisung an seine Hilfskräfte, die einen Schaumteppich um den verkohlten Isolator legen wollten, und wandte sich wieder Müller zu: »Wie kann’s passieren, dass so ein Ding explodiert?«
»Überhaupt net«, erwiderte der Experte schnell, als sei eine solche Frage völlig abwegig. »Nöt mol, wenn an Blitz einischlögt. Hier können S’ von äußeren Einflüssen ausgehn.«
Als sei’s ein Stichwort gewesen, tauchten in diesem Moment im diffusen Umgebungslicht der Scheinwerfer die Umrisse einer kräftigen Gestalt auf.
Kommandant Bergner war sich ziemlich sicher, diese Person erst vor wenigen Stunden schon einmal gesehen zu haben.
»So schnell sieht man sich wieder«, hörte er die sonore Stimme, die ihm tatsächlich vertraut erschien. Es war Häberle, der ihm zuwinkte und sich sogleich dem Albwerkstechniker Müller sowie dem schüchtern abseitsstehenden Türken zuwandte. Unterdessen rauschte auf dem Bahndamm ein beleuchteter Doppelstock-Nahverkehrszug durch die Nacht. Der Himmel über der dahinter liegenden Stadt war ungewöhnlich schwarz, wie es Häberle erschien. Kein Streulicht von unzähligen Lampen erhellte ihn. Die Stadt und ihre Umgebung lagen in einer seltenen Finsternis. Normalerweise, so hatte ihm Müller einmal erklärt, könne das Albwerk bei einer Störung innerhalb weniger Minuten auf eine andere Versorgungsleitung umschalten. Doch im Moment, da der Schaden im Umspannwerk Eybacher Tal möglicherweise auch weiter entfernte Verteilungseinrichtungen in Mitleidenschaft gezogen hatte, war dies nicht möglich. Außerdem erschien dies auch nicht ratsam zu sein, solange keine Klarheit über die Ursache bestand.
Häberle malte sich in Gedanken aus, wie die Bevölkerung reagierte. Wenn das Stromnetz längere Zeit ausfiel, waren all die Bequemlichkeiten der Zivilisation mit einem Schlag nichts mehr wert. Die meisten Telefone waren tot, weil nahezu jeder Haushalt inzwischen eine Anlage mit mehreren Mobilteilen hatte, die von einem Netzteil gespeist wurden. Und weil viele Menschen augenblicklich zum Handy griffen – im irrigen Glauben, auf diese Weise telefonieren zu können – brachen auch die Funknetze zusammen. Denn jede Funkzelle, mithilfe derer Handys im Umkreis von wenigen Kilometern versorgt werden, kann nur eine bestimmte Anzahl eingeloggter Geräte aufnehmen. Häberle hatte dies einmal bei einem eng begrenzten lokalen Hochwasser erlebt. Schon damals waren die Handynetze völlig überlastet gewesen. Seither wusste er: Auf Handys war im Katastrophenfall kein Verlass. Ganz zu schweigen davon, wie schnell Behörden aus welchen Gründen auch immer ganze Netze teilweise oder komplett abschalten konnten. Dazu brauchte man nur die
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