Kurzschluss
Ihrem Mann –, halte ich es für notwendig, etwas zu unternehmen.« Sie beugte sich über den Tisch, um leiser fortfahren zu können. »Damit nicht noch Schlimmeres passiert.« Sie hatte gar nicht bemerkt, dass der Wirt plötzlich neben ihr stand.
28
Häberle hatte zwar die Angaben Schweizers in den Protokollen studiert, doch hielt er es für geboten, den Kollegen des getöteten Büttners selbst aufzusuchen. Er war an diesem regnerischen Juniabend zu ihm nach Hause gefahren, um zu vermeiden, dass er allzu oft im Albwerk in Erscheinung trat. Außerdem wollte er das persönliche Umfeld des Mannes kennenlernen. Das erforderte eine Anfahrt von etwa 20 Kilometern quer über die Alb. Schweizer wohnte in Heroldstatt, einer schmucken, aufstrebenden Gemeinde unweit von Laichingen. Häberle nutzte die Zeit während der Autofahrt, sich die Personen ins Gedächtnis zu rufen, die in den vergangenen 36 Stunden eine Rolle gespielt hatten. Dass er wieder einmal in ein Beziehungsgeflecht eingedrungen war, obwohl nach außen hin eine schöne heile Welt zu bestehen schien, hatte ihn nicht sonderlich gewundert. Sobald man an den Oberflächen kratzte und sich die Mühe machte, hinter die Kulissen zu blicken, stieß man auf Merkwürdigkeiten und Geheimnisvolles, auf Affären und Skandälchen.
Von Hasso Schweizer wusste der Ermittler bisher relativ wenig. Außer, dass es im Albwerk ziemlich konkrete Gerüchte gab, wonach der Mann ein Techtelmechtel mit der Frau des getöteten Büttners angefangen hatte. Aber das musste nichts heißen. Immerhin lebte sie in Trennung und Schweizer war geschieden.
Häberle hatte den Ort schneller erreicht als erwartet. Denn die feinen Umgehungsstraßen in diesem Bereich der Albhochfläche ermöglichten ein schnelleres Vorwärtskommen als drunten im dicht besiedelten Filstal, wo man im letzten südlichen Zipfel der Region Stuttgart seit Jahr und Tag um bessere Straßenverhältnisse kämpfte.
Er bog nach rechts ab und folgte der Beschilderung über eine Brücke. Eine regennasse, leicht ansteigende Wohnstraße führte ihn durch ein gepflegtes Ortszentrum, an dem sich schmucke Häuschen aneinanderreihten. Ein angenehmer Kontrast zu den lauten und hektischen Kommunen entlang der Filstalachse, wo Dieselruß an grauen Fassaden klebte.
Hier oben schien man sofort freier atmen zu können, dachte Häberle und fand auf Anhieb die gesuchte Querstraße mit der entsprechenden Hausnummer. Er parkte vor einem Zweifamilienhaus, dessen Vorgarten junge Pflänzchen und Stauden aufwies. Mit wenigen Schritten hatte er die weiße Aluhaustür erreicht, die bereits nach dem ersten Klingeln geöffnet wurde.
Hasso Schweizer war auf den Besuch des Kommissars vorbereitet gewesen. Er begrüßte ihn per Handschlag und führte ihn in ein hell eingerichtetes Wohnzimmer, in dem klassische Musik zu hören war. »Dass ich mal das Vergnügen mit Ihnen haben würde, hab ich erwartet«, sagte Schweizer, während sie beide in weißen Ledersesseln Platz nahmen.
»Mit meinen Kollegen hatten Sie bereits Kontakt«, begann Häberle. »Mir geht es nur noch um ein paar kleine Details.« Er verzog das Gesicht zu einem sympathischen Lächeln. »Wir hätten das auch telefonisch erledigen können, aber ich hab’s lieber, man sitzt sich gegenüber.« Er musterte seinen Gesprächspartner, der ziemlich selbstbewusst wirkte. Die halblangen schwarzen Haare wirkten frisch gefönt, das bunte Freizeithemd und die grüne Cordhose waren ein Zeichen dafür, dass er sich einen entspannten Feierabend gönnen wollte, dachte der Kommissar.
Schweizer schlug die Beine übereinander. »Man weiß das ja von den Fernsehkrimis: Der Kommissar will die Bösewichte selbst kennenlernen«, grinste er.
»Ob Bösewicht oder nicht – wenn die Unterscheidung so einfach wäre, bräuchten wir keine Nachtschichten einzulegen«, entgegnete Häberle. Während sein Blick über die offenen Regale wanderte, fiel ihm zwischen langen Bücherreihen ein gerahmtes Bild auf. Es zeigte eine Frau, die ihm sofort bekannt erschien. Um sich dies nicht anmerken zu lassen, wandte er sich wieder Schweizer zu, der offenbar bereit war, in die Offensive zu gehen.
»Bösewichte treiben’s doch meist mit den Frauen des Opfers.«
Häberle war überrascht, meinte dann aber: »Landläufig denkt man so, ja. Und wird irgendwo einer umgebracht, wissen gleich alle, wer das war.«
»Ich«, stellte Schweizer stirnrunzelnd, aber spöttelnd fest, »hab ein Verhältnis mit der Frau des Opfers und bring ihren
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