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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sofort, wer keines verwendet«, schlug sie ihm vor, während sie das weiche Ei köpfte, das August ihr zubereitet hatte.
    »Verdächtige«, wiederholte er. »Um ehrlich zu sein, habe ich’s doch nur mit Verdächtigen zu tun. Kein einziger meiner Zeugen ist wirklich nur Zeuge, wenn man es genau nimmt. Selbst dieser Speidel, der vorgestern früh die Leiche entdeckt hat, ist nicht hasenrein. Über seine Frau gibt’s immerhin nicht gerade freundschaftliche Bande zu Frau Büttner – und irgendwie wohl auch zu Büttner selbst.«
    »Aber du meinst doch, das hat mit der Strombranche zu tun«, warf sie ein. »Außerdem sind da die Drohbriefe, von denen du sprichst.«
    »Drohbriefe ans Albwerk«, begann er aufzuzählen und strich sich ein Marmeladenbrot. »Merkwürdige Sexfilme und seriöse Dokumentarfilme von Büttner, ein Hasso Schweizer, der mich an Estromag verweist und der kreidebleich wurde, als ich ihm gesagt hab, dass sein Leipziger Kollege Mariotti auch im See geendet hat.«
    »Vergiss den Naturschützer nicht«, unterbrach Susanne seinen Redefluss.
    »Braun, ja, der vorletzte Woche in MeckPomm war und zwar exakt in dieser Stadt, von der wir am Tatort einen Parkschein gefunden haben. Außerdem hat er mit Bibern zu tun. Passend dazu finden wir einen USB-Stick vor dem Haus, das abgefackelt werden sollte. Die Welt ist verrückt.« Er sagte dies mit der Ruhe und Gelassenheit, die Susanne so sehr an ihm schätzte.
    »Und was hältst du von den Herrschaften im Albwerk?«, fragte sie.
    Er lächelte. »Seriöse Gesellschaft, würde ich meinen. Der Feucht ein Kaufmann wie aus dem Bilderbuch, mit Zahlen alt geworden. Der kann dir sicher die Bilanzen der letzten zehn Jahre vorwärts und rückwärts aufsagen. Vor allem aber wird er sie lesen können. Im Gegensatz zu mir.« Häberle musste sich eingestehen, so komplexe Zahlenwerke wie einen Geschäftsbericht nicht durchschauen zu können. Er schaffte dies nicht einmal mit seiner eigenen Steuererklärung. Umso mehr war es ihm unverständlich, dass es Menschen gab, die ein Berufsleben lang glänzende Augen kriegten, wenn sie sich in Zahlen vertiefen durften. Als ob Zahlen das Leben wären. Natürlich waren sie das nicht, aber, so hatte er es sich einmal sagen lassen müssen, vieles in der Naturwissenschaft ließ sich in mathematische Muster pressen. Die Frage war doch nur: Hatte sich die Natur an Zahlen gehalten – oder hatte der Mensch seine Zahlenwerke so ersonnen, dass sie zu den Naturgesetzen passten? Häberle beeilte sich, diese Gedanken loszuwerden. »Der Wollek macht seinen Job und fühlt sich auf dem Land wohl. Hat sich hier integriert und spielt den Turmwächter auf’m Ödenturm.« Er sah sie auffordernd an. »Falls der Fall bis Sonntag geklärt ist, können wir ihn dort oben besuchen.«
    »Das würde mich freuen – und ich bin davon überzeugt, dass du es bis Sonntag schaffst«, sagte sie und fasste ihn am Arm. »Aber, sag mal.« Sie sah ihn ernst an. »Und der Bodling? Der ist absolut clean?«
    Häberle mochte es, wenn seine Susanne in die Jugendsprache verfiel. »Clean?«, wiederholte er deshalb grinsend. »Der ist die Seriosität in Person. Ein glänzender Fachmann und eine absolut integre Persönlichkeit. Da kannst du die Tagediebe in den Chefetagen vieler Aktiengesellschaften vergessen.« Am liebsten hätte er noch deutlichere Worte gesprochen, aber Susanne wusste längst, was er von der deutschen Wirtschaftselite hielt. Ihn wunderte nur, dass die Regierungen der ganzen Welt plötzlich Milliarden locker machten, um den Kapitalismus, wie er in seiner bisherigen Form versagt hatte, weiterhin am Leben zu halten, anstatt nach Alternativen zu suchen, die keinesfalls in den vorbehaltlosen Sozialismus führen mussten.
    »Du sagst doch immer, dass manchmal das Unmögliche möglich ist«, hielt Susanne ihm vor und schob das leer gelöffelte Ei beiseite.
    »Natürlich sage ich das«, gab er ihr recht. »Aber man hat ja so sein Bauchgefühl.« Er blickte in ein verständnisloses Gesicht. »Dennoch werd ich mir den Bodling zur Brust nehmen müssen. Es gibt da nämlich tatsächlich ein paar Dinge zu klären.«
    »Die wären?«
    Er wischte sich mit einer Serviette den Mund ab. »Zum Beispiel, ob die ihren Strom, der mit Wasserkraft hergestellt wird, aus jenem norwegischen Kraftwerk beziehen, in dem Büttners Schwiegersohn arbeitet.«
    »Der arbeitet in Norwegen?«
    »So haben wir es jedenfalls ermittelt – und ich gehe mal davon aus, dass die Familie zur Beerdigung anreisen

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