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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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wird.« Aber da würde er vermutlich kaum hier sein, dachte Häberle und überlegte, ob er Susanne schon in seine Dienstreisepläne einweihen sollte. Er beschloss, es zu tun, zumal sie sicher bereits damit gerechnet hatte. »Ich werd wohl nicht umhin kommen, mich mal da oben umzusehen«, sagte er und blickte durch das Fenster in den grauen Morgen hinaus.
    »In Norwegen?«, staunte Susanne, die es durchaus gewohnt war, dass ihr Mann zu außergewöhnlichen Dienstreisen neigte.
    »Nein, so weit fahre ich nicht, Schatz«, beruhigte er. »Aber wahrscheinlich zu Estromag nach Magdeburg und nach Mecklenburg-Vorpommern.«
    Sie schien für einen Moment irritiert zu sein. »Kann ich daraus schließen, dass du deinen Täter dort oben vermutest?«
    »Möglich ist alles, aber zumindest gibt es ein paar Dinge zu klären, die ich nicht den Kollegen vor Ort überlassen kann.«
    Sie unterdrückte ein Lächeln. »Weil sie die schwäbische Mentalität nicht verstehen?«
    »Was heißt Mentalität?« Er frotzelte zurück. »Die halten uns doch laufend für ein bisschen unterbemittelt, bloß weil wir alles können außer Hochdeutsch.« Oft genug hatte er sich schon darüber aufgeregt, dass Schwäbisch außerhalb des Ländles belächelt wurde und in der Rangliste unbeliebter Dialekte gleich hinter Sächsisch rangierte. Dabei hatte gerade Schwaben außerordentlich bedeutsame Persönlichkeiten, vor allem auch Tüftler und Denker hervorgebracht. Möglicherweise würde die Welt noch heute zu Fuß gehen, hätte es nicht den Schorndorfer Gottlieb Daimler gegeben, pflegte er immer zu sagen, um dann fairerweise hinzuzufügen, dass damals auch ein Badenser eine Rolle gespielt hatte, nämlich Carl Benz, der denselben Geistesblitz gehabt hatte wie sein schwäbischer Kollege.
    »Nein, ganz ehrlich«, fügte Häberle nach dieser Denkpause an, »wer in einem Fall drin ist und die beteiligten Personen kennt, kann ganz andere Fragen stellen, als ein Kollege, der nur auf dem Wege der Amtshilfe tätig wird.«
    Er hätte ihr dies nicht zu sagen brauchen, weil sie im Laufe seines Berufslebens oft genug Ähnliches von ihm gehört hatte. »Wenn ich morgen reise«, fügte er an, »bin ich zum Wochenende wieder zurück.«
    Susanne nickte verständnisvoll, wusste sie doch, wie gern ihr August Auto fuhr und regelmäßig die Chance nutzte, mal wieder aus der Provinz herauszukommen. Sie musste ihm also einen Koffer packen. »Da fällt mir ein«, unterbrach sie seine Pläne und zögerte. »Es mag ja komisch klingen, aber dass eine Firma mit Drohbriefen gezwungen wird, ihre Preise zu erhöhen, ist seltsam. Ich denke, in Zeiten, in denen jeder für blöd erklärt wird, wenn er teurer einkauft als anderswo, will doch kein Mensch höhere Preise erzwingen. Oder sehe ich das falsch?«
    Ihr Mann zuckte mit den Schultern. »Der Normalverbraucher nicht. Aber die Konkurrenz. Stell dir vor, da versaut so ein Kleiner die Preise, weitet sein Versorgungsgebiet aus, piesackt die Großen und maßt sich womöglich an, mit vergleichsweise günstiger, auch noch regenerativer Energie neue Märkte zu erobern – was glaubst du, wozu manche Kreise in der Lage sind?«
    Sie wollte nicht widersprechen. August konnte, wenn es sein musste, stundenlang von Fällen der Wirtschaftskriminalität reden, die nie vollständig aufgeklärt wurden. Und kam es zu einem Prozess, dann waren die Richter nicht selten damit zufrieden, wenn der Angeklagte eine Art Teilgeständnis ablegte und somit den Juristen eine monate- oder jahrelange Beweisaufnahme ersparte. Man nannte dies einen Deal, der meist auf den Gerichtsfluren ausgehandelt wurde. Und zur Belohnung für ihr kooperatives Verhalten bekamen solche Angeklagten auch noch trotz millionenschwerer Betrügereien eine Bewährung zugebilligt. Ganz zu schweigen davon, dass, soweit Häberle sich entsinnen konnte, nach der jüngsten globalen Wirtschaftskrise kein einziger, der sie ob seiner maßlosen Gier mit angezettelt hatte, jemals vor den Kadi gezerrt wurde. Aber was hatten denn die Banker und Konstrukteure abenteuerlicher Spekulationsangebote anderes getan, als arglosen Anlegern Geld aus der Tasche zu ziehen? Eigentlich gab das Strafgesetzbuch genügend her, um diese Burschen zumindest anzuklagen: Betrug, Unterschlagung, Untreue, arglistige Täuschung – zum Beispiel. Aber anstatt mit dem eisernen Besen der Juristen durchzufegen, benahmen sich die Politiker wie aufgescheuchte Hühner, die plötzlich Milliardenbürgschaften locker machten, um Unternehmen zu

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