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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Bahnhofsbereich passiert hatte, drückte sie die grüne Taste. »Hallo«, meldete sie sich leise, als könne ihr der Anrufer gefährlich werden.
    Aus dem Lautsprecher schallte ihr das hämische Lachen eines Mannes entgegen, der mit spöttischem Unterton sagte: »Wer so flitzt, der wird geblitzt.«
    Die Stimme war verstellt, aber sie glaubte, sie zu erkennen.
     
    *
     
    »Und so was nennt man Juni«, schimpfte Häberle, als er zu später Stunde mit feuchter Kleidung die Räume der Sonderkommission betrat, wo die verbrauchte Luft sich mit Kaffeeduft vermischte. Auch er goss sich eine Tasse ein und ließ sich seufzend auf einem Bürosessel neben Linkohr nieder.
    »Wir haben ein paar Neuigkeiten«, erklärte der junge Kriminalist. »Die Sprengstoffmenschen vom Landeskriminalamt haben das Zeug analysiert, mit dem man uns in Büttners Haus abfackeln wollte. Es ist dasselbe, das am Umspannwerk benutzt wurde.«
    Häberle zeigte sich wenig beeindruckt. »Habt ihr denn etwas anderes erwartet?«, fragte er die Kollegen, die sich inzwischen um den Schreibtisch gruppiert hatten und ihn aus ziemlich grauen und erschöpften Gesichtern anschauten. »Was ist es denn für’n Zeug?«
    »Eine Nitrolösung, die man in jedem Baumarkt kaufen kann. Wird zur Reinigung von Steinböden und manchmal auch für altes Holz benutzt.«
    »Baumarkt«, überlegte Häberle. »Irgendwie klingt das doch alles nach einem Handwerker oder Hobbybastler. Da durchbohrt einer einen Stein, benutzt handelsübliche Seile, um eine Leiche dranzubinden – und auch der Stein selbst deutet auf einen hin, der mit Haus, Hof und Garten eng verbunden ist.«
    »Eben ein schwäbischer Häuslesbauer«, bemerkte ein Kollege, der hörbar nördlich der Mainlinie entsprang.
    »Kleine Mengen von dem Zeug«, fuhr Linkohr fort, »kann man auch zum Reinigen von Plastikgehäusen benutzen. Computer, Drucker und so weiter. Der Umgang erfordert aber eine gewisse Sorgfalt.« Er hatte sich einige Notizen gemacht und nahm sie nun zur Hand. »Das Zeug ist nicht nur leicht entflammbar, sondern entwickelt auch Dämpfe, die schwerer sind als Luft und die sich in einem geschlossenen Raum am Boden anreichern. Bei einer bestimmten Zusammensetzung entsteht ein explosives Gemisch, das sich bereits durch einen winzigen Funken entzündet.«
    »Zum Beispiel durch den Glühfaden einer Glühbirne«, ergänzte Häberle. »Da wäre uns aber ein mächtiges Feuerwerk um die Ohren gezischt.«
    »Aber wir wissen inzwischen noch mehr«, machte Linkohr weiter, während sich einige Kollegen wieder ihren Computern und Telefonen zuwandten, weil sie die Neuigkeiten bereits kannten. »Auch in Leipzig wurde dieselbe Nitrolösung benutzt.«
    »Gleiche Nitrolösung in Leipzig, gleicher Stein an der Leiche.«
    »Und beide Leichen im Stromgeschäft«, ergänzte Linkohr, um gleich anzufügen, dass es noch weitere Erkenntnisse gab. »Die Stuttgarter haben die Drohbriefe untersucht und analysiert. Verwertbare Spuren: Fehlanzeige. Auch nichts, was sich als DNA verwerten ließe. Dafür ist den Kollegen etwas aufgefallen. Der Schreiber dieser drei Briefe scheint mit der neuen deutschen Rechtschreibung in einem Punkt auf Kriegsfuß zu stehen.« Linkohr angelte sich die Fotokopien, auf denen er mit Leuchtstift Markierungen vorgenommen hatte. »Er schreibt grundsätzlich kein scharfes S.« Der Jungkriminalist schob die Papiere zu Häberle hinüber, mit dem drei weitere Kriminalisten die Ausführungen verfolgten. »Hier: Straße mit zwei S statt mit scharfem S. Und sogar die freundlichen Grüße, mit denen er seltsamerweise seine Schreiben jedes Mal beendet, sind mit zwei S geschrieben.«
    Häberle dachte nach. »Ganz so außergewöhnlich ist das auch wieder nicht.« Er spürte Linkohrs Enttäuschung. »Im internationalen Schriftverkehr ist das doch üblich, oder?«, fragte er die Umstehenden.
    »Aber nicht korrekt«, blieb Linkohr hartnäckig. »Es gibt aber eine bestimmte Menge Leute, die meinen, das scharfe S sei komplett abgeschafft worden. Und unser Drohbriefschreiber gehört wohl dazu.«
    »Oder es ist ein Schweizer«, konterte Häberle, wohl wissend, dass er jetzt für Erstaunen sorgte. Die Männer sahen ihn auch fast alle verwundert an. »Ich meine nicht den Schweizer vom Albwerk«, fügte er grinsend an, »sondern die Schweizer, also Bewohner der Schweiz. Dort wird nämlich seit jeher ganz aufs scharfe S verzichtet.«
    »War ja nur so eine Feststellung unserer Schriftexperten«, stellte Linkohr leicht gekränkt

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