Kurzschluss
auftat. Er las einige Sätze, überflog den restlichen Text und scrollte die Bildschirmdarstellung dazu weiter. Doch mehr als allgemeine Hinweise sprangen ihm nicht ins Auge.
Das zweite Dokument befasste sich mit der Ansiedlungspolitik und den Erfolgen, die man dabei seit Jahren in Bayern verzeichnen konnte. Erst das dritte Dokument erweckte Linkohrs Aufmerksamkeit. Der Biber – die Verbreitung in den neuen Bundesländern. Es handelte sich, wie er sofort erkannte, um einen Artikel vom November 2007. Der Autor erläuterte darin, wie das Nagetier in weiten Gebieten der Mecklenburger Seenplatte wieder heimisch geworden war. Linkohrs Interesse stieg mit einem Mal. Natürlich konnte dies alles Zufall sein, aber es war bemerkenswert, dass dieser Landstrich schon wieder erwähnt wurde. Er rief den Naturschützer Braun an, erfuhr jedoch von dessen Frau, dass er sich auf einer Erkundigungstour in den Weiherwiesen befinde und von Speidel begleitet werde. Sie gab Linkohr die Handynummer, sodass der Kriminalist sofort in Erfahrung bringen konnte, wo er die beiden Männer finden würde. Es schadete schließlich nichts, an diesem frischen Spätvormittag ein bisschen ins Gelände zu fahren, dachte er bei sich. Eine knappe Viertelstunde später parkte er den Dienstwagen unweit der Fischzuchtanlage und ging die paar 100 Meter über den Forst- und Wanderweg zu Fuß zur Aussichtsplattform, wo er sich mit Braun und Speidel verabredet hatte.
Das Rattern eines Zuges war zu hören, dazwischen die Verkehrsgeräusche der Bundesstraße. Die Luft war kühl und frisch und die Stauden am Wegesrand gediehen prächtig. Aus dem See ragte das Schilf in die Höhe, dazwischen zogen Enten und andere Wasservögel kleine Bugwellen hinter sich her. Wie still und friedlich kann die Natur sein, wenn sie der Mensch nicht störte, dachte Linkohr. Häberle hatte ihn bei Ermittlungsfahrten oft genug auf die Schönheiten der Landschaft aufmerksam gemacht.
Braun und Speidel standen ganz vorn an der Aussichtsplattform und deuteten auf interessante Objekte, die sie auf der von Schilf umwachsenen Wasserfläche erspähten.
»Guten Morgen, die Herren«, machte sich Linkohr beim Näherkommen bemerkbar. Sie drehten sich um und begrüßten ihn mit Handschlag. »Ich möchte Ihre Studien nicht stören«, sagte Linkohr, »aber nachdem ich Sie beide zusammen treffen kann …«
»Dazu noch am Tatort«, unterbrach Braun humorvoll, »wo sich der Täter doch immer an den Tatort hingezogen fühlt – da macht es sich wirklich gut, dass wir hier sind.«
Linkohr sah beide provozierend an und zog den Reißverschluss seiner Windjacke bis nach oben. »Und das Spezialeinsatzkommando hat sich bereits in den Hecken verschanzt.«
Braun erwiderte ebenso spontan: »Oder sie ziehen eine weitere Leiche aus dem See. Wer weiß, was da noch alles drin liegt.«
Der Polizist lehnte sich gegen das hölzerne Geländer und beobachtete eine wegfliegende Ente, die nur mühsam an Höhe gewann. »Ich brauche zwei Naturmenschen, die mir etwas über Biber erzählen können.«
»Das haben wir erst gestern getan«, staunte Braun und fügte grinsend an: »Oder hat Sie das Biberfieber gepackt?«
Linkohr wollte nicht lange um den heißen Brei herumreden: »Werden Sie häufig auf Biber angesprochen, Sie als Naturschutzbeauftragter?«
Braun nestelte an seiner Jeansjacke. »Seit das in der Zeitung stand, schon, ja. Das hab ich Ihnen ja bereits gestern gesagt. Die Leute interessiert das erstaunlicherweise sehr.« Er sagte dies, als wolle er damit die Bedeutung seiner Arbeit unterstreichen. »Aber Unterlagen oder so was hat bisher keiner von mir gewollt, falls Sie noch mal darauf hinauswollen.«
Linkohr fühlte sich bei der Wiederholung ähnlicher Fragen ertappt. Speidel schielte zu ihm hin, wandte aber sofort den Blick wieder ab, als sich seitlich ein Fischreiher im Tiefflug näherte und am Ufer landete. Drüben ratterte ein langer Güterzug die Steige hinauf, unterstützt von einer roten Schublok.
»Aber Anfragen gibt es schon?«, blieb Linkohr hartnäckig.
»Klar, wenn ich hier am See bin, werd ich darauf angesprochen, oder beim Einkaufen. Manchmal ruft auch jemand an, weil er meinen Namen in der Zeitung gelesen hat.«
»Wer hat Sie denn in letzter Zeit angerufen?«
Speidel drehte sich um. »Ich zum Beispiel«, erklärte er ernst.
»Ja, er. Seit wir uns am Montag unter misslichen Bedingungen kennengelernt haben, hat sich auch Herr Speidel nach dem Verhalten der Biber erkundigt.«
Linkohr sah
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