Kurzschluss
den permanent unrasierten Mann an, interessierte sich dann aber wieder für Braun: »Und wer hat sich sonst noch gemeldet?«
Der Naturschützer überlegte und umklammerte dabei das Holzgeländer. »Der Oberbürgermeister wollte wissen, wie sich die Population in der Innenstadt entwickeln kann und der Polizeirevierleiter Watzlaff hat sich erkundigt, wie beim Auffinden eines angefahrenen Tieres vorzugehen sei.«
»Und sonst?«
»Das Albwerk …« Braun zögerte kurz. »Das ist für Sie vielleicht von Interesse. Das Albwerk wollte wissen, ob der Biber auch Holzmasten annagt und fällt.«
»Und, tut er das?«
»Um ehrlich zu sein, Erkenntnisse dazu hab ich keine. Aber ich denke, eher nicht. Denn Biber ernähren sich von Rinden. Und da es sich bei Masten ja um entrindetes Holz handelt, wird er sie vermutlich verschmähen.«
»Da Sie ja selbst die unberührte Natur in Mecklenburg-Vorpommern schätzen, stellt sich auch die Frage, ob die Biber dort schon angekommen sind?«
»Sind sie«, erwiderte Braun mit gewissem Stolz. »Die Biber haben weite Teile der Seenlandschaft bereits besiedelt – wohl mit zunehmender Tendenz.«
Linkohr sah eine günstige Gelegenheit für eine Nachfrage gekommen: »Hat sich denn danach mal jemand erkundigt?«
Braun zögerte und ließ seinen Blick über die stille Seefläche streifen. »Beim Stichwort Albwerk fällt mir dies tatsächlich ein. Im Zusammenhang mit der Frage nach den Holzmasten hat die Dame wissen wollen, wie sich die Population in der Mecklenburger Seenplatte gestaltet.«
»Die Dame?«, hakte Linkohr gleich nach.
»Ja, es war eine Dame, die angerufen hat. Aber den Namen hab ich mir beim besten Willen nicht merken können.«
»Und wie haben Sie ihr weitergeholfen?«
»Ich hab ihr gesagt, sie soll im Internet nachsehen«, erklärte Braun. »Einfach bei Google Biber und Mecklenburg-Vorpommern eingeben – und Sie finden jede Menge Artikel dazu.«
Linkohr riskierte es, möglicherweise schlafende Hunde zu wecken: »Diese Frau, könnte die Rothfuß geheißen haben?«
Braun zuckte ratlos mit den Schultern und sah Hilfe suchend zu Speidel. Der jedoch blickte unbeteiligt zu den hohen Pappeln auf der anderen Seite des Sees.
*
Häberle war nach Bodlings Anruf sofort mit den Kollegen der Spurensicherung in das Wohngebiet nach Kuchen gefahren, um die Wohnung von Silke Rothfuß aufzusuchen. Über die Nachbarn war es bereits gelungen, das Ehepaar ausfindig zu machen, das den Großteil des Gebäudes bewohnte. Weil es sich dabei um die Hausbesitzer handelte, konnten sie mit einem Ersatzschlüssel die Einliegerwohnung öffnen.
Häberle deutete den Kollegen an, ihm vorsichtig zu folgen. Von der kleinen Diele, die mit vielen Dekorationsgegenständen geschmackvoll geschmückt war, zweigten vier Türen ab, die alle nur angelehnt waren. Bereits beim ersten Blick erkannte Häberle, dass jemand in aller Eile Schränke und Schubladen durchsucht hatte. Papiere, Schachteln und andere Behältnisse lagen auf dem gefliesten Boden verstreut. Der Chefermittler drückte die Tür rechts neben sich vorsichtig auf. Es war das Wohnzimmer, in dem nicht mehr von Unordnung, sondern von einem Chaos gesprochen werden konnte: Die Türchen einer Schrankwand waren geöffnet, überall lagen Bücher, Schnellhefter und Blätter, dazwischen auch zwei zerschlagene Tassen.
»Da hat einer kräftig rumgekruschtelt«, stellte Häberle fest und blieb stehen, um keine Spuren zu verwischen. Auf dem Teppich und der rostroten Ledercouch, die dicht vor dem Fenster stand, waren die Bücher gelandet, die jemand in aller Eile aus den Regalen geworfen hatte.
»Ihr schaut euch das genauer an«, bat der Chefermittler seine beiden Kollegen und öffnete nacheinander auch die anderen Türen. Die Zimmer waren auf ähnliche Weise verwüstet und in einer kleinen Schreibecke deuteten zurückgebliebene Kabel darauf hin, dass ein Gerät fehlte. Vermutlich ein Laptop, überlegte Häberle.
»Schaut euch nach irgendwelchen Speichermedien um«, empfahl er seinen Begleitern. »Und vielleicht findet ihr Hinweise auf Angehörige oder Kontaktadressen. Ich schick euch noch ein paar Leute vorbei.« Er fingerte sein Handy aus der Jeansjacke und verließ die Wohnung, vor der der Hausherr ungeduldig darauf wartete, Neues zu erfahren. »Wie lange wohnt Frau Rothfuß hier?«, erkundigte sich Häberle.
»Seit ziemlich genau drei Jahren. Juni 2006 ist sie eingezogen«, erwiderte der Mann.
»Hat sie irgendwelche Bekannte, Freunde,
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