Kuschelmuschel
fort.
Wieder lächelte er, aber diesmal schien er mir irgendwie verlegen. Und dann sagte er: «Ganz soviel Lob, wie Sie mir da spenden, verdiene ich nicht, wirklich nicht. Um ganz offen mit Ihnen zu sein, meine hübsche Tochter ist nicht der einzige Grund, weshalb ich in dieser komfortablen Einsiedelei lebe. »
«Ich weiß. »
«Sie wissen? »
«Sie haben es mir erzählt. Sie sagten, der andere Grund sei die Wüste. Sie lieben sie, sagten Sie, wie ein Seemann das Meer. »
«Das sagte ich. Und es ist vollkommen richtig. Aber es gibt noch einen dritten Grund. »
«Ach, und welcher wäre das? »
Er antwortete mir nicht. Er saß ganz still mit den Händen am Steuer, die Augen fest auf die vor uns liegende Straße gerichtet.
«Verzeihen Sie», sagte ich. «Ich hätte nicht danach fragen sollen. Es geht mich nichts an. »
«Nein, nein, es ist schon in Ordnung», sagte er. «Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. »
Ich starrte aus dem Fenster in die Wüste hinaus. «Ich glaube, es ist heißer als gestern», sagte ich. «Es muss schon weit über 40 Grad sein. »
«Ja. »
Ich sah, wie er ein bisschen auf seinem Sitz herumrutschte, als versuchte er, es sich bequemer zu machen. Dann sagte er: «Ich sehe wirklich keinen Grund, weshalb ich Ihnen nicht die Wahrheit über das Haus erzählen sollte. Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie schwatzhaft sind. »
«Das ganz gewiss nicht», sagte ich.
Wir hatten die Tankstelle beinahe erreicht, und er drosselte die Ge schwindigkeit und fuhr nun fast im Schritttempo, um sich für das, was er zu sagen hatte, Zeit zu nehmen. Ich sah, wie die beiden Araber neben meinem Lagonda standen und uns beobachteten.
«Die Tochter», sagte er schließlich, «die Sie kennen gelernt haben, ist nicht meine einzige Tochter. »
«Ach, wirklich? »
«Ich habe noch eine, die fünf Jahre älter ist. »
«Und zweifellos genauso schön», sagte ich. «Wo lebt sie? In Beirut? »
«Nein, auch in dem Haus. »
«In welchem Haus? Doch nicht in dem, das wir gerade verlassen haben? »
«Doch. »
«Aber ich habe sie gar nicht gesehen. »
«Nun ja», sagte er und wandte sich mir plötzlich zu, um mein Gesicht zu beobachten, «vielleicht nicht. »
«Aber warum nicht? »
«Sie hat Lepra. »
Ich zuckte heftig zusammen.
«Ja, ich weiß», sagte er, «es ist etwas Schreckliches. Und sie hat noch dazu die schlimmste Art, das arme Mädchen. Man nennt es lepromatöse Lepra. Diese Art ist außerordentlich resistent und praktisch unheilbar. Wenn es sich um tuberkolide Lepra handelte, wäre es viel leichter. Aber das ist es eben nicht, und so ist man völlig machtlos. Wenn also Gäste ins Haus kommen, bleibt sie in ihren eigenen Räumen, im zweiten Stock... »
Inzwischen musste der Wagen bei der Tankstelle vorgefahren sein, denn das Nächste, an das ich mich zu erinnern vermag, ist, wie Mr. Aziz dasaß und mich mit seinen schmalen, klugen schwarzen Augen anblickte und sagte: «Aber mein lieber Freund, Sie sollten sich das nicht derart zu Herzen nehmen. Beruhigen Sie sich, Mr. Cornelius, beruhigen Sie sich! Für Sie besteht absolut kein Grund zur Sorge. Es ist keine besonders ansteckende Krankheit. Man muss schon sehr intimen Kontakt mit der kranken Person haben, um sich anzustecken... »
Ich stieg sehr langsam aus dem Auto und stand in der Sonne. Der Araber mit dem von Krankheit gezeichneten Gesicht grinste mich an und sagte: «Keilriemen jetzt ganz fertig. Alles in Ordnung. » Ich griff in meine Tasche nach Zigaretten, aber meine Hand zitterte so heftig, dass ich das Päckchen zur Erde fallen ließ. Ich bückte mich und hob es auf. Dann nahm ich eine Zigarette heraus und schaffte es, sie anzuzünden. Als ich wieder aufblickte, sah ich, wie der grüne Rolls-Royce, schon etwa einen Kilometer entfernt, mit großer Geschwindigkeit die Straße dahinfuhr.
Wildwechsel
An jenem Nachmittag waren etwa vierzig Leute auf der Cocktailparty von Jerry und Samantha. Es war die übliche Clique, die übliche Unbequemlichkeit, das übliche schreckliche Gelärm. Die Leute standen dicht beieinander, und man musste schreien, um sich verständlich zu machen. Viele lächelten breit und zeigten ihre weißen Jacketkronen. Die meisten hielten in der linken Hand eine Zigarette, in der rechten einen Drink.
Ich entfernte mich von Mary, meiner Frau, und der Gruppe, bei der sie stand. Ich steuerte auf die kleine Bar in der entfernten Ecke zu
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