Kuschelmuschel
und setzte mich dort auf einen Barhocker und sah mich in dem Raum um. Ich tat dies, um mir all die Frauen zu betrachten. Ich lehnte mich mit den Schultern an das Bargeländer, nippte an meinem Scotch und begutachtete über den Rand meines Glases hinweg eine Frau nach der anderen.
Ich studierte nicht ihre Figuren, sondern ihre Gesichter, und was mich daran interessierte, war nicht so sehr das Gesicht selbst, sondern der große rote, bewegliche Fleck in der Mitte der Gesichter, der Mund. Genaugenommen war es nicht einmal der ganze Mund, sondern nur die Unterlippe. Die Unterlippe, so hatte ich kürzlich entschieden, war der große Verräter. Sie offenbarte mehr als die Augen. Die Augen verbargen ihre Geheimnisse. Die Unterlippe verbarg kaum etwas. Nehmen wir zum Beispiel die Unterlippe von Jacinth Winkleman, die mir gerade am nächsten stand. Man beachte die Linien auf dieser Lippe, von denen einige parallel und andere strahlenförmig nach außen liefen. Es gibt keine zwei Menschen mit dem gleichen Lippenlinienmuster. Und wenn man es recht bedenkt, könnte man sogar einen Verbrecher erwischen, wenn sein Lippenabdruck in den Akten wäre und wenn er am Schauplatz des Verbrechens noch einen Drink genommen hätte. An der Unterlippe saugt und nagt man, wenn man die Fassung verliert, und genau das tat Martha Sullivan in eben diesem Augenblick, während sie aus einer gewissen Entfernung ihren Schwachkopf von Mann beobachtete, wie er Judy Martinson besabberte. Man leckt sich die Lippen, wenn man scharf ist. Das sah ich bei Ginny Lomax, die ihre Lippen mit der Zungenspitze benetzte, während sie neben Ted Dorling stand und in sein Gesicht hochäugte. Es war ein bedächtiges, wollüstiges Lecken, bei dem die Zunge langsam herauskam und langsam und feucht die ganze Unterlippe entlang strich. Ich sah Ted Dorling auf Ginnys Zunge blicken, und genau das war es, was sie von ihm wollte.
Es scheint tatsächlich so zu sein, sagte ich mir, während meine Augen im Zimmer von Unterlippe zu Unterlippe wanderten, dass sich all die weniger attraktiven Züge des menschlichen Wesens, Arroganz, Habgier, Gefräßigkeit, Lüsternheit und all das andere - deutlich auf dem kleinen scharlachroten Hautpanzer abzeichnen. Man muss nur den Code kennen Die vorstehende oder stark gewölbte Unterlippe weist angeblich au t große Sinnlichkeit hin. Aber das stimmt bei Männern nur halb und bei Frauen überhaupt nicht. Bei Frauen sollte man auf die dünne Linie achten, die schmale Klinge mit dem scharf gezeichneten unteren Rand. Und bei der Nymphomanin wird die Unterlippe genau in der Mitte von einem winzigen, eben noch sichtbaren Hautkamm gekrönt. Bei Samantha, der Gastgeberin, war das der Fall.
Wo war sie eigentlich, Samantha?
Ah, da drüben stand sie ja. Sie nahm einem Gast gerade ein leeres Glas aus der Hand. Jetzt kam sie zu mir herüber, um es wieder zu füllen.
«Hallo, Vic», sagte sie. «Ganz allein? »
Sie ist doch eine Nymphomanin, dieses Vögelchen, sagte ich mir. Aber sie ist ein sehr seltenes Exemplar dieser Gattung, weil sie absolut monogam ist. Sie ist eine verheiratete monogame Nymphomanin, ein Vögelchen, das niemals das eigene Nest verlässt.
Sie ist auch die leckerste Frau, auf die ich je in meinem Leben ein Auge geworfen habe.
«Kann ich dir helfen? », fragte ich, während ich dastand und ihr das Glas aus der Hand nahm. «Was wird verlangt? »
«Wodka on the Rocks», sagte sie. «Danke, Vic. » Sie legte ihren lieblichen langen weißen Arm auf die Bartheke und beugte sich vor, so dass ihr Busen auf dem Bargeländer ruhte und dabei nach oben gedrückt wurde. «Hoppla», sagte ich, weil ich den Wodka neben das Glas gegossen hatte.
Samantha sah mich mit riesigen braunen Augen an, sagte aber nichts.
«Ich werde es wegwischen», sagte ich.
Sie nahm mir das wieder gefüllte Glas ab und ging fort. Ich beobachtete, wie sie ging.
Sie trug eine schwarze Hose, die am Po so eng saß, dass sich der kleinste Leberfleck oder Pickel durch den Stoff abgezeichnet hätte. Aber Samantha Rainbows Hinterteil war makellos. Ich ertappte mich dabei, wie ich mir die Unterlippe leckte. Stimmt, dachte ich. Die will ich. Meine Güte, wie scharf ich auf diese Frau bin! Aber ein Versuch wäre zu riskant. Es wäre Selbstmord, sich an ein solches Mädchen heranzumachen. Erstens wohnt sie schon mal nebenan, was zu nahe ist. Zweitens ist sie, wie ich schon sagte, monogam. Drittens sind sie und Mary, meine Frau, die
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