Kuscheltier-Grauen
Celia reichte ihrer Tochter knapp bis an die Schulter, glich allerdings einem Energiebündel.
Mißtrauisch wanderten ihre Blicke über Meggy hinweg. »Was ist los? Hattest du wieder diese Träume?«
»Ja.«
»Du mußt dagegen angehen, Mädchen.«
»Es klappt nicht. Sie kehren immer wieder und sind jedesmal intensiver.«
»Unsinn. So etwas wirst du doch packen. Dein Lokal kannst du vergessen, das Landhaus…«
»Ist schlimm!«
Celia Ryan trat einen Schritt zurück. »Wie bitte?«
»Ich habe Angst davor, Mutter. Die langen Gänge, die Türen, nur wir drei Personen. Das paßt alles nicht zusammen. Außerdem kann ich nicht mehr auf den See schauen. Immer wenn ich dessen dunkle Fläche sehe, habe ich das Gefühl, hineingehen zu müssen.«
»Jetzt reiß dich bitte zusammen, Meg. Wir müssen einladen. Ich will nicht erst in der Nacht ankommen.«
»Ja, ist gut.« Müde ging Meg hinter ihrer Mutter her, bis zum Heck des Wagens. Sie fuhren einen grünen Ford Kombi, dessen Ladefläche einiges aufnehmen konnte.
Celia hatte zugeschlagen und einen der fahrbaren Einkaufswagen mit Lebensmitteln vollgepackt. Meg schüttelte den Kopf. »Wer soll das alles essen?«
»Wir!«
»Das ist zuviel.«
»Glaubst du denn, ich will übermorgen schon wieder einkaufen. Für eine Woche reicht es. Außerdem hat mich dein Sohn gebeten, richtig einzukaufen.«
»Weshalb?«
»Er erwartet Besuch.«
»Und wer kommt?«
Celia begann damit, die Waren vom Einkaufswagen in den Kombi zu packen. »Das hat er mir leider nicht gesagt. Wahrscheinlich Freunde von ihm. Wir werden sehen.«
»Nun ja, ist gut.« Tief atmete Meg durch. Sie fühlte sich noch immer matt und angeschlagen. Wenn sie sich bückte und rasch wieder hochkam, überfiel sie ein gewisser Schwindel.
Ganz im Gegensatz zu ihrer Mutter, die zweiundzwanzig Jahre älter war als sie. Mit ihren 60 Jahren bewies sie noch eine Topform und bewegte sich geschmeidig.
Meggy liebte und haßte ihre Mutter. Hassen deshalb, weil sie immer besser war als die Tochter. Die machte ihr in allem etwas vor. Celia schaffte die unmöglichsten Dinge. Sie war besser als eine Jüngere, das ließ sie Meg auch spüren. Sogar den Karton mit Konserven wuchtete sie hoch und auf die Ladefläche.
»Warte, ich helfe…«
»Nicht doch, Meg, das schaffe ich schon.«
»Ja, ich weiß!«
Celia hielt den rechten Arm hoch. Ihre Finger umklammerten die Griffe der Klappe. »Was soll der Ton denn?«
»Ich wollte dir nur sagen, daß du besser bist. Du zeigst es mir auch immer. Denk an deinen Enkel, der ist schon genauso wie du. Er ist dir mehr zugetan als mir.«
»Ist das ein Wunder, Meg? Schließlich habe ich mich besonders um ihn gekümmert. Deine Zeit war immer begrenzt, auch später, als du das Lokal eröffnet hast.«
»Ich hatte dich ja als Stütze!« sagte sie sarkastisch.
Celia hämmerte die Klappe zu. »Da hast du recht, meine Liebe. Jetzt fahren wir, und ich werde das Steuer übernehmen.«
»Wie du willst, Mutter!«
Celia drehte ihrer Tochter den Rücken zu. Mit forschen Schritten steuerte sie die Fahrertür an. Ein Helfer kam und holte den leeren Einkaufswagen ab.
»Steig schon endlich ein, Meg! Ich möchte hier nicht festwachsen!« Celia hatte den Motor bereits angelassen und startete, kaum daß ihre Tochter die Tür geschlossen hatte.
Um ihr Landhaus am See zu erreichen, brauchten sie nicht durch den Ort zu fahren. Es gab da eine Umgehungsstraße, allerdings mehr einen besseren Feldweg. Er führte an der Südseite der kleinen Stadt vorbei, schlug einen Bogen und mündete in die normale Zufahrtstraße, die auch durch das große Reservat führte, dessen Mittelpunkt der kleine See bildete.
Hier sollte die Natur noch in Ordnung sein. In der Nähe befand sich so gut wie keine verschmutzende Industrie, und auch London war weit genug weg, um von dessen Schadstoffausstoß nicht belästigt zu werden.
»Wie lange wirst du auf dem Land bleiben, bevor du die Gaststätte wiedereröffnest?«
Meg schaute gegen die Scheibe, die allmählich beschlug, denn draußen war es sehr kalt.
»Ich habe dich etwas gefragt!«
»Das weiß ich.«
»Und?« Celia schaltete das Gebläse ein. Sie tat immer das Richtige, dachte Meg. So war es schon früher gewesen, als sie Ernie an sich gerissen hatte. Der Junge war ohne Vater aufgewachsen. Der Mann, mit dem Meggy sich eingelassen hatte, war bei Nacht und Nebel verschwunden und hatte sie mit dem Jungen sitzenlassen.
»Ich habe das Lokal übergeben, Mutter!«
»Was heißt
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