Kuss der Ewigkeit
ihren unnötigen Atem an. Ich für meinen Teil reagierte auf die plötzliche Spannung im Raum mit Erleichterung. Anaya stolzierte heraus. Mit ihrem Blick suchte sie das Zimmer ab, bis er schließlich auf Nathanial fiel. Sie lächelte, und der Ausdruck erinnerte mich an ein glückliches Krokodil. Hinter ihr kam Clive herein, mit selbstgefälliger Miene. Sie sagten nichts, sondern lächelten Nathanial nur höhnisch an, bevor sie sich umwandten und die Treppe hochstiegen.
Ich warf Nathanial einen Blick zu, doch seine Miene verriet mir nichts. Die anderen Vampire sahen einander an und dann wieder zur Tür. Einen Augenblick lang hing unsichere Stille im Raum. Ich war mir nicht sicher, warum alle anderen hier waren. Nathanial und ich waren offensichtlich in irgendwelchen Schwierigkeiten, aber ich bezweifelte, dass die anderen nur aus Spaß anwesend waren. Für ein geselliges Beisammensein lag zu viel Besorgnis in der Luft.
Mit einem Lachen brach Jezebel die Spannung. Ich hatte den Verdacht, dass die liebe Jezebel häufig in Schwierigkeiten war.
Dann öffnete sich die Tür erneut.
Im Gang gegenüber stand eine hochgewachsene Frau mit einer Haut, die so blass war, dass sie leuchtete, sogar verglichen mit ihrem weißen Kleid. Im Gegensatz dazu breitete ihr dunkles Haar sich um sie herum aus wie eine schwarze Leere, die jedes Licht absorbierte. Ihre Augen waren nicht viel mehr als schwarze Kreise, die in dem perlmuttartigen Leuchten schwebten, und ihre Lippen ein gemalter roter Schlitz in ihrem Gesicht. Auf gewisse Weise war sie schön, aber mehr als alles andere sah sie aus wie eine Erscheinung, gemalt in Schwarz und Weiß, mit einem Hauch Blut auf den Lippen. Ihr dunkler Blick schweifte durch den Raum und landete auf Nathanial. Sie nickte, dann drehte sie sich um und ließ die Vorhänge wieder über die Tür fallen.
Nathanial sagte kein Wort. Er kam zu mir, legte eine Hand auf meine Schulter und drückte sie sanft. Ein kaum merkliches Zittern übertrug sich von seinen Fingern auf meine Haut. Ich schluckte schwer. Noch immer sagte er nichts; er drehte sich einfach nur um und ging zur Tür. Wenn er versuchte, mich zu beruhigen, dann versagte er dabei kläglich. Wollte er mich etwa in seiner Abwesenheit aufmuntern oder auf das vorbereiten, was auf uns zukam?
Ich wollte wirklich nicht alleine in einem Raum mit all diesen Vampiren eingesperrt sein.
Also stand ich auf und lief hinter ihm her.
Er zögerte, bevor er die Vorhänge aufzog. » Kita, bitte benimm dich da drin«, flüsterte er so leise, dass ich kaum glaubte, ihn gehört zu haben. Ich war eigentlich der Meinung, dass ich mich bis jetzt ziemlich gut benommen hatte, alles in allem betrachtet, aber ich hielt den Mund und übte mich darin, unbedeutend zu sein.
Die Frau führte uns einen langen Gang entlang. Wir hätten genauso gut einem Geist folgen können, so geräuschlos bewegte sie sich. Ich fühlte mich laut und ungeschickt, als meine Schritte von den Steinwänden widerhallten. In dem ganzen Korridor gab es nicht eine einzige Lampe. Wussten Vampire denn nicht, dass Licht das Gehirn anregte, Glückshormone zu produzieren? Gleich im Anschluss an diesen Gedanken zog ich die Möglichkeit in Betracht, dass diese Vampire ganz genau wussten, wie dieser Gang auf einen wirkte, und dass alles, was ich von diesem Augenblick an sah oder erlebte, sorgfältig ausgearbeitet und nicht dem Zufall überlassen war. Wir bogen um eine Ecke, und unsere Führerin blieb vor zwei großen Doppeltüren stehen.
» Der Rat wird euch gleich empfangen«, sagte sie. Dann wartete sie.
Ich war mir nicht sicher, was ich erwarten sollte. In Firth hatte ich zweimal vor den Ältesten gestanden, und das war nicht unbedingt etwas, das ich oft wiederholen wollte. Das erste Mal, dass ich die Ältesten zum Rat versammelt sah, war während eines Treffens aller Clans. Die meisten Torins und Stregas, Hexen der Clans, waren auf Geheiß der Ältesten zusammengekommen, ein Ereignis, das einmal alle zehn Jahre vorkam. Als Dyre, theoretisch der zukünftige Torin meines Clans, hatte mein Vater mich mitgenommen, aber ich wurde größtenteils nicht beachtet. Die zweite Reise zum Berg der Ältesten war mit Bobby gewesen, doch ich war alleine vor den Rat getreten. Das war für Bobbys Halskette gewesen. Ich hatte sehr viel Glück gehabt. Mein Handeln hatte alle Reaktionen von Zorn bis Belustigung unter den Ältesten hervorgerufen, doch am Ende hatte ich für ihn das Recht erwirkt, eine Halskette zu tragen.
Das
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