Kuss der Ewigkeit
verhinderte, dass ich fiel. Er zog mich an sich, sodass mein Rücken sich an seine Brust schmiegte. Meine Füße berührten immer noch nicht den Boden.
Ich riskierte es, einen Seitenblick auf Nathanial zu werfen. Seine Fangzähne waren gebleckt, doch sein Gesicht war seelenruhig, als er die anderen Vampire betrachtete, die uns immer noch im Halbkreis umringten, so als fordere er jeden von ihnen stumm heraus, ihn zu provozieren. Die Vampire ihrerseits scharrten unbehaglich mit den Füßen, die Fangzähne immer noch entblößt, doch keiner von ihnen wagte einen Vorstoß. Es erinnerte mich an Tiere, die sich um ein Stück Fleisch stritten. Das war ein Dominanzverhalten, das ich in Firth verstanden und erwartet hätte, jedoch nicht hier, nicht von Geschöpfen, die ich in ihrem Verhalten so nah an den Menschen eingestuft hätte. In Firth hätte ich mich zurückgezogen. Alle waren größer und stärker als ich, und ich hatte die Wahl, anzugreifen oder mich zu verziehen und darauf zu hoffen, dass später noch etwas von dem Fleisch übrig sein würde. Aber jetzt, hier, war ich das » Fleisch« und hatte keine Ahnung, was von mir erwartet wurde. Also wartete ich.
» Ich habe sie verwandelt. Sie gehört mir«, zischte Nathanial. Ich erschauderte, und er hielt mich noch fester. » Wer sie anrührt, bekommt es mit mir zu tun.«
Einer nach dem anderen richteten die anderen Vampire sich auf, und ihre Fangzähne verschwanden. Sie lächelten, als wäre es nicht gerade um Haaresbreite zu Blutvergießen gekommen. Samantha und eine weitere Frau setzten sich zurück auf die Couch, wieder ganz mustergültige Kultiviertheit. Der Vampir, der mich belästigt hatte, strich sich mit der linken Hand das Jackett glatt. Sein rechter Arm hing merkwürdig herab, an mehreren Stellen gebrochen. Er starrte mich finster an, dann riss er den Vorhang beiseite und mühte sich einhändig ab, ihn festzuhalten und gleichzeitig die Tür zu öffnen. Niemand sagte ein Wort, als er in den Gang dahinter verschwand.
Langsam löste sich die Anspannung in Nathanials Arm. Ich blickte zu ihm hoch und sah erleichtert, dass seine Fangzähne verschwunden waren. Über seinem Gesicht lag wieder die gleichgültige Maske. Als er sah, dass ich ihn musterte, wurden seine Augen schmal, und er ließ meine Taille los, als habe er vergessen, dass er mich immer noch umklammert hielt.
Ich trat von ihm fort, aber es gab nichts, wo ich hingehen konnte. Ich spürte Blicke auf mir, doch überall, wo ich hinsah, schienen die Vampire intensiv mit dem beschäftigt zu sein, was sie gerade taten. Dennoch wollte dieses Gefühl nicht verschwinden. Großartig. Wie brachte ich mich nur immer in solche Situationen?
Samantha winkte mir zu, ich solle mich wieder zu ihr und der anderen Frau auf die Couch setzen. Offensichtlich sollte ich einfach so vergeben und vergessen, dass ich nur wenige Augenblicke zuvor angegriffen worden war. Entweder das oder mich hinter Nathanial verstecken. Das hätte ich vielleicht auch getan, wenn ich nicht ein Gestaltwandler gewesen wäre, bevor Nathanial mich verwandelt hatte. Mein Instinkt ließ nicht zu, dass ich Angst zeigte. Angst verriet Beute– Fleisch. Ich war nicht gern Fleisch.
Also reckte ich das Kinn und ließ meine Zähne aufblitzen.
Samantha lächelte, und die Vampirin, die ich nicht kannte, rückte ein Stück, damit ich mich zwischen sie setzen konnte. Ich konnte ja eine kleine Weile so tun, als hätten diese Frauen mich nicht angesehen, als wäre ich ein wertvoller Preis, den es zu gewinnen gab.
» Kita, das hier ist Magritte«, sagte Samantha, wobei sie mir beiläufig eine Hand auf die Schulter legte.
Ich sah Magritte an, und ihr Lächeln wurde breiter. Mit ihren strahlend blauen Augen und dem blonden Haar sah sie eher wie die Teilnehmerin eines Schönheitswettbewerbs aus als wie ein Vampir. Ich konnte sie mir mühelos vorstellen, wie sie mit einem kitschigen Diadem auf dem Kopf sagte, dass sie sich nichts als den Weltfrieden wünschte. Allerdings hatte ich sie mit gebleckten Fangzähnen gesehen, deshalb war die Illusion nicht so perfekt, wie sie für jemand Uneingeweihten gewesen wäre.
» Wunderschön, dich kennenzulernen, Schätzchen«, sagte sie und streckte die Hand aus, um eine meiner Haarlocken zu berühren. » Schöne Arbeit, das. Ungewöhnlich. Ich wette, du bist froh, dass du sie vor Kurzem hast nachfärben lassen. Man will die Ewigkeit ja schließlich nicht mit herausgewachsenem Ansatz verbringen.« Ihre Hand ließ mein Haar los
Weitere Kostenlose Bücher