Kuss der Ewigkeit
beschlich seine Züge. Der rohe, verletzliche Ausdruck, den ich gesehen hatte, nachdem wir den Rat verließen, ergriff wieder von ihm Besitz. Es tat weh, das zu sehen, doch die einzige andere Sache, auf die ich meinen Blick richten konnte, war Candice’ geschundener Körper.
Die Krankenschwester wollte einfach nicht verschwinden. Sie summte weiter. Sekunden schleppten sich dahin. Nathanials Finger gruben sich in meine Taille, und ich schloss die Augen, um dem zu entkommen, was ich in seinen Augen sah. Die Schwester streckte die Hand nach einer der Maschinen am Kopfende des Betts aus, und ihre Körperwärme erfüllte den Raum zwischen ihrem Arm und meinem Gesicht. Ich lehnte mich an Nathanials Brust, um noch etwas mehr Platz zwischen der Schwester und mir zu schaffen, und als ich mich an ihn schmiegte, lockerte sich Nathanials beinahe schmerzhafter Griff um meine Taille. Neugierig. Ich ließ die Hände unter seinen Mantel gleiten und schlang die Arme um seine Hüften. Ein lautloser Seufzer kam ihm über die Lippen, tanzte durch mein Haar und kitzelte mich am Ohr. Er entspannte sich an mir.
Ich war hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, ihn wegzustoßen, und dem Bedürfnis, etwas zu sagen, obwohl ich nicht sicher war, was. Die Gegenwart der Krankenschwester verhinderte beides.
Aus zusammengezogenen Augen sah ich sie um den Vorhang herum verschwinden, dann öffnete und schloss sich die Tür mit einem leisen Luftzug. Ich ließ die Arme sinken, doch Nathanial bewegte sich nicht. Ich schob ihn von mir fort und drückte mich dabei gegen die Wand, sodass ich ihn ansehen konnte. In seinen grauen Augen war nun nichts Kaltes mehr. Mit einer Hand näherte er sich meinem Gesicht, dann zogen seine Finger federleicht die Linie meines Kiefers nach. Das Herz hämmerte mir gegen die Brust. Er öffnete leicht die Lippen, sagte jedoch nichts, als er sich zu mir beugte. Ich wagte nicht zu atmen, nicht sicher, was ich wollte oder warum. Dann war sein Körper plötzlich nicht mehr da.
Verwirrt blinzelte ich die leere Stelle vor mir an. Nathanial stand mit dem Rücken zu mir auf der anderen Seite des Bettes und spähte aus dem Fenster. Zu viele meiner rasenden Herzschläge verstrichen, während ich mit wackeligen Knien einfach nur dastand. Hitze strömte mir in die Wangen.
Als Nathanial sich wieder umdrehte, sah er nicht mich an, sondern begutachtete wieder Candice’ geschundenen Körper. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war nun völlig beherrscht, ohne die Hitze, die es noch vor einem Augenblick ausgestrahlt hatte.
Ich holte ein paarmal tief Luft und versuchte, mich nur halb so ruhig zu fühlen, wie er aussah, doch ich war noch nie gut darin gewesen, ruhig zu sein. Die Arme fest um mich geschlungen tigerte ich am Rand des Vorhangs hin und her. » Sie steht unter Medikamenten. Starken Medikamenten. Was jetzt?«
» Wir fischen nach Informationen.« Er setzte sich an den Rand von Candice’ Bett und ergriff die Hand, die nicht eingegipst war. » Siehst du, wie sich ihre Augen unter den Lidern bewegen und sie zuckt? Sie muss träumen.«
Ich betrachtete sie einen Augenblick lang, bis mir klar wurde, was er vorhatte. » Das kann nicht dein Ernst sein. Sie ist nur eine Handbreit vom Tod entfernt. Du würdest sie töten.«
» Sie wird es überleben. Ich hoffe, es wird nicht viel nötig sein, aber wenn wir nicht irgendeinen Hinweis auf den Einzelgänger herausfinden, dann wird der Rest von uns diese Nacht nicht überleben.« Er drehte ihre Hand um, sodass ihre Handfläche nach oben zeigte, dann grub er die Zähne in ihr Handgelenk.
Angewidert und fasziniert zugleich sah ich ihm zu, während sich meine eigenen Fangzähne zeigten. Kaum hatten Nathanials Zähne Candice’ Fleisch durchbohrt, wurde sie ruhig, und ihre Albträume versiegten. Ich wartete. Angespannt bemühte ich mich, nicht die Herzschläge zu zählen, die verstrichen. Sekunden schleppten sich dahin. Das Piepen der Maschine neben Candice’ Bett wurde unregelmäßig.
Scheiße … Ich rüttelte Nathanial an der Schulter. Er reagierte nicht. Abgesehen von den rhythmischen Bewegungen seiner Kehle, während er schluckte, hätte er eingeschlafen sein können. » Nathanial!«
Nicht einmal ein Zucken.
Er würde doch aufhören, oder etwa nicht? Er hatte gesagt, dass ihn in jener Nacht die Drogen in meinem Kreislauf verwirrt hatten– Candice hatte viel mehr Betäubungsmittel in ihrem Körper, als ich es gehabt hatte.
Das mechanische Piepen wurde noch unregelmäßiger. Womit
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