Kuss der Finsternis - Cole, K: Kuss der Finsternis
Wohnung in Knightsbridge. Ihre blutgetränkte Kleidung verbarg der nächtliche Nebel. Ihr Reihenhaus mit dem kleinen Vorgarten war sehr günstig gelegen. Nahe genug an diversen Geschäfte n – falls Kaderin je die Lust überkäme, einkaufen zu gehe n – , doch gleich dahinter lagen enge, düstere Hinterhöfe, die es ihr ermöglichten, ihre Wohnung ungesehen zu betreten. Sie näherte sich von hinten, sprang über die Mauer ihres kleinen Gartens, schloss die Tür auf und rannte die Treppe hinauf.
Kaderin riss sich die Kleidung vom Leib, die sie von Myst genommen hatte, musterte sie eingehend und warf sie auf den Haufen mit den Klamotten, die nicht mehr tragbar waren. Dann sprang sie unter die Dusche und wusch das ganze Blut weg.
Während sie Shampoo in ihr Haar einmassierte, dachte sie nicht über den Vampir nach. Kein bisschen. Sie ignorierte sämtliche Fragen, wie beispielsweise, warum er sich in diesem Schloss aufhielt und warum genau er seiner erbärmlichen Existenz ein Ende setzen wollte. All diese Informationen, wie auch die Frage, wo er als Soldat gekämpft hatte, waren nebensächlich.
Wenn sie erst die Tour gewonnen hatte und dazu bereit war, würde sie zurückkehren, um die Sache zu beenden.
In der Zwischenzeit würde er vermutlich nach ihr suchen. Vampire, die ihr e … ihre Bräute gefunden hatten, duldeten es nicht, sie wieder zu verlieren. Aber er würde sie nicht finden; schließlich wusste er von ihr nichts bis auf den Vornamen. Die Dorfbewohner würden aus Angst Abend für Abend vor Sonnenuntergang die Flucht ergreifen und die ganze Nacht fortbleiben, bis sie zurückkehrt e – oder sie würden ihren Zorn zu spüren bekommen, wie sie es ihnen versprochen hatte.
Und jedes andere Geschöpf der Mythenwelt, das ihm die nötigen Informationen mitteilen könnte, würde bei seinem Anblick davonrennen, aus dem einzigen Grund, weil er ein Vampir war. Er war überall ein Außenseiter, bei allen anderen Lebewesen, seien sie menschlich oder mythisch. Und während sie an der Tour teilnahm, würde er sie mit Gewissheit nicht aufspüren können. In den kommenden Wochen würde sie nirgendwo mehr als einmal schlafen und in die entlegensten Winkel der Welt eilen, um Preise, Juwelen und Amulette zu erbeuten.
Sie würde ihm entgegentreten, aber zu einem von ihr gewählten Zeitpunkt und zu ihren Bedingungen. Ja, alles war unter Kontrolle.
6
Während der letzten drei Tage war es Sebastian verflucht schwergefallen, die Nähe so vieler Menschen zu ertrage n – ein Bluttrinker, ein Raubtier, das sich unter ihnen bewegte, als ob er noch einer von ihnen wäre. Vor allem seit die Frauen angefangen hatten, ihn verlangend anzustarren und – zu seiner nicht enden wollenden Bestürzung – ihm sogar zu folgen.
Aber er rief sich in Erinnerung, was auf dem Spiel stand, und erledigte eine Aufgabe nach der anderen; alles, was nötig war, um Kaderin aufzuspüren, auch wenn er noch keine Ahnung hatte, wie ihm das gelingen sollte. Die Dorfbewohner, seine einzige Spur, waren verschwunden – zumindest nachts. Natürlich hatte sie sie gewarnt.
Nach den langen Jahren der Abwesenheit war er schließlich doch nach Blachmount zurückgekehrt. Er empfand beim Anblick des alten Herrenhauses immer noch genauso viel Ehrfurcht wie früher, selbst da es nun baufällig und sein eigener Besitz war. Er hatte einen Teil des Goldes aus seinen Truhen ausgegraben und die Münzen anschließend in Sankt Petersburg verkauft. Nachdem er sich so mit Bargeld versorgt hatte, hatte er sich neue Kleidung in dem einzigen Geschäft gekauft, in dem sich wohlhabende Männer seines Wissens nach einkleideten: Savile Row in London. Als Sterblicher war er einst im Hafen von London gewesen und erinnerte sich noch vage daran. Doch eine bildliche Vorstellung des Ortes reichte, um sich dorthin zu translozieren.
Sein Geld sorgte dafür, dass er nach Sonnenuntergang einen Termin zum Maßnehmen erhielt, und er zwang sich jede Nacht, bevor er sich in die Stadt begab, Blut vom Metzger zu kaufen und zu trinken.
Er hatte diese Pflichten erledigt, weil er zu einem Mann werden wollte, der für Kaderin begehrenswert sein könnte. Doch abgesehen davon suchte er auch verzweifelt nach Ablenkung. An jeder Straßenecke fragte er sich, wo sie wohl in diesem Augenblick sein mochte und ob sie in Sicherheit wäre. An jenem Morgen hatte sie geweint und sich vor Schmerz gekrümmt.
Und er konnte sie nicht finden.
Er glaubte, einen leichten Akzent bei ihr festgestellt zu haben, aber das
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