Kuss der Nacht - Band 02
kurzen Abwesenheit hatte er es sich wieder so platinblond gefärbt wie damals, als wir uns kennengelernt hatten. Anders geschnitten war es auch. In kurzen Löckchen lag es an seinem Kopf an. Bones' Hemd war, im Gegensatz zu Ians, modern geschnitten und von purpurroter Farbe. Gegen den leuchtenden Stoff wirkte seine Haut wie sahniger Diamant. Wurde langsam Zeit wegzusehen. Sonst fing ich noch an zu sabbern.
»Bones, welch unerwartete Widrigkeit«, verkündete ich gut vernehmbar. »Gott, bist du noch immer nicht tot? Ich hatte gehofft, dich vor Jahren das letzte Mal gesehen zu haben. Noch immer Probleme mit verfrühter Ejakulation?«
Ian brach in schallendes Gelächter aus. Seine Anhänger ebenfalls. Sie saßen nach Sippen getrennt, die jüngeren weiter oben auf den billigen Plätzen. Bones hatte sich symbolhaft am unteren Rand von Ians Gruppe platziert, und seine Antwort wurde von einem prustenden Lachen untermalt.
»Hättest du nicht immer so laut geschnarcht, hätte ich mich vielleicht besser konzentrieren können.«
Touche. Ich kehrte ihm den Rücken zu. »Also schön, Ian. Genug geplaudert. Ich habe mich extra ausgehfein gemacht, und hier soll offensichtlich eine Party steigen. Was feiern wir eigentlich?«
Jetzt hatte Ian seinen großen Auftritt. »Jedem weit und breit habe ich erzählt, dass die sterbliche Rächerin, die man die Gevatterin Tod nennt, in Wahrheit ein Vampir ist, getarnt durch ein schlagendes Herz und einen warmen Leib. Das weltweit einzige bekannte Halbblut. Kurz gesagt, Cat, will ich dich an meiner Seite haben, als Mitglied meiner Sippe. Da ich nach unserem letzten Zusammentreffen nicht den Eindruck hatte, du könntest Geschmack an dieser Vorstellung finden, habe ich vier deiner Männer als Geiseln nehmen lassen, um sicherzustellen, dass du dem Thema diesmal.. aufgeschlossener gegenüberstehst.«
Ian wusste noch nicht, dass drei der vier vermeintlichen Geisein längst wieder frei waren und ich dazu noch sechs seiner eigenen Männer in meine Gewalt gebracht hatte. Vermutlich glaubte er, Francois und die anderen hätten sich einfach nur verspätet.
»Aha«, sagte ich zynisch. »In diesem Fall müsste ich wohl eine ganze Menge Zeit mit dir verbringen.«
Ians Grinsen war mehr als nur ein bisschen hämisch. »Anfangs müsstest du selbstverständlich unter Aufsicht gestellt werden.«
»Und was ist, wenn ich mich weigere? Dann bringst du wohl meine Männer um, was?«
Er zuckte mit den Schultern. »Müsste ich sie wirklich alle umbringen, damit du einsiehst, dass mein Angebot gar nicht so unzumutbar ist, Kleines? Ein oder zwei würden schon reichen, glaube ich.«
Du skrupelloser Bastard, dachte ich und musterte Ian abschätzend. Die Tatsache, dass er planvol und nicht blindwütig handelte, sagte viel über ihn aus. Offensichtlich tötete er nicht aus purer Mordlust, wäre aber durchaus dazu fähig, wenn er es für notwendig erachtete. Eine solche Kaltblütigkeit schlummerte auch in Bones, dessen war ich mir durchaus bewusst. Ich selbst stand ihm da aber ehrlich gesagt in nichts nach.
»Du hast also überall herumerzählt, dass ich ein Mischling bin«, änderte ich abrupt die Taktik. »Wahrscheinlich hat dir bloß kaum einer geglaubt. Soll ich mein Können unter Beweis stellen? Immerhin hast du all die Leute hier antreten lassen, und bisher haben sie noch überhaupt nichts Aufregendes zu sehen bekommen.«
In Ians Gesicht regte sich Interesse. Bones war der Meinung gewesen, Ian liebte große Auftritte. Da hatte er wohl richtig gelegen.
»Und wie soll das deiner Meinung nach vor sich gehen, meine hübsche Gevatterin?«
»Lass deinen stärksten Kämpfer antreten. Ich werde ihn oder sie schlagen, und das mit nichts als dem, was ich am Leibe trage.«
Ich streckte die Arme aus und drehte mich im Kreis, damit alle sehen konnten, dass ich unbewaffnet war. Ian wusste natürlich, dass man mich gefilzt hatte. War ja nicht meine Schuld, dass dabei niemand an meine Schuhe gedacht hatte.
»Was forderst du als Gewinn?«, erkundigte sich Ian.
»Einen meiner Männer in unversehrtem Zustand. Und ich darf ihn aussuchen.«
Ian musterte mich sehr lange. Ich setzte meine Unschuldsmine auf. »Abgemacht«, sagte er schließlich.
»Gut«, antwortete ich prompt. »Ich will Noah.«
Verflucht noch mal. Konnte ich Noah selbst retten, war ich eine Hauptsorge los. Wie überrascht Ian dann sein würde, wenn er feststellte, dass er seine einzige Geisel verspielt hatte.
In genau diesem Augenblick stand Bones auf.
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