Kuss der Sünde (German Edition)
Sie es auch wissen? Einer wie Sie wird bereits an den Gärten von Ve r sailles abgewiesen!“
Im Gegensatz zu diesem Kretin kannte er nicht nur die Unterschrift der Königin, sondern war ihr bereits begegnet. Zweimal hatte er mit seinem Vater Versailles besucht, als dieser den König im Fechten unterrichtete. Ohne so n derlichen Erfolg. Louis XVI. interessierte sich mehr für Tüfteleien anderer Art und stand lieber in seiner Werkstatt, um winzige Uhrwerke auseinanderz u nehmen und wieder zusammenzusetzen, anstatt sich mit dem Degen zu prof i lieren. Die Begegnungen mit der Königin und ihren Damen blieb Olivier selbst nach Jahren in lebhafter Erinnerung. Sie hatten ihn umringt, ihn einen hübschen Jungen genannt und ihm Konfekt geschenkt. Damals war Marie Antoinette noch jung und vertrauensvoll gewesen. Heute verbrannte sie jeden Brief, den sie erhielt, und erwartete dasselbe von anderen. Damals hatte sie ihn huldvoll angelächelt und die Hoffnung geäußert, dass der zukünftige Da u phin ebenso hübsch und reizend sein würde wie der Sohn des Fechtmeisters Favre. Zu jener Zeit war allerdings ungewiss, ob es jemals einen Dauphin geben würde.
„Die Unterschrift ist perfekt“, entgegnete Olivier und rang seinen Zorn ni e der.
Energisch zog Vilette an seinen Rockschößen und ordnete die Spitzen se i ner Manschetten. Seine Garderobe hatte an Qualität gewonnen. Er war vom Sekretär zum Geck geworden, der seinen Anteil an den Betrügereien, die das Dreiergespann in der Rue de Neuve-Saint-Gilles mit großem Erfolg durc h führte, sofort bei den Schneidern umsetzte. Madame de La Motte, Rittmeister de La Motte und Vilette standen neuerdings auf der Sonnenseite des Lebens. Dank seiner Fälschungen.
„Sie ist unvollständig, Brionne. Marie Antoinette – und weiter?“
Er warf einen oberflächlichen Blick auf den Brief. „Was weiter?“
„De France!“, schmetterte Vilette . „Es muss heißen: Marie Antoinette de France! Sie ist die Königin, Mann.“
Olivier blinzelte in das abnehmende Licht, das durch die Dachfenster fiel, und rieb sich den Nacken. Sein Honorar war großzügig bemessen. Er hatte den höchsten Gewinn aus diesem Geschäft herausgeschlagen und verdiente mit diesen Briefen mehr als mit anderen Aufträgen, sodass er sich vielleicht zur Ruhe setzen konnte, wenn die goldene Gans Rohan keine Eier mehr legte. In diesem Augenblick kam ihm diese Idee überaus verlockend vor.
„Sie unterzeichnet immer ausschließlich mit ihrem Vornamen. Aus dem ei n fachen Grund , weil sie, wie Sie treffend festgestellt haben, die Königin ist.“
„Das stimmt nicht! Sie werden es ändern “ , forderte Vilette, stieß sich von der Wand ab und hieb mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte. „Oder ich schreibe den Brief diesmal selbst.“
„Sie?“ Olivier stemmte die Hände in die Hüften und lachte hart auf. „Guter Witz.“
Mit fest aufeinandergepressten Lippen und schmalen Augen hastete Vilette auf den Sekretär zu und streckte die Hand nach der Feder aus, die in ihrem Halter stand. Olivier packte sein Handgelenk und drückte gnadenlos zu.
„Sie werden hier nichts anfassen. Vor allem nicht meine Feder . “
Unter äußerster Kraftanstrengung riss Vilette sich los, taumelte zurück, nahm den Brief an sich und faltete ihn. „Nun gut, dann mache ich es eben mit der eigenen Feder, wenn Sie mit der Ihren so empfindlich sind.“
Eine andere Tinte, eine andere Handschrift und verdammt wollte er sein, wenn er einem anderen gestattete, in seiner Arbeit herumzupfuschen. D a durch würden sie unter Garantie auffliegen. Er hatte die de La Motte g e warnt, doch niemand wusste, was sie in der Haft aussagen würde. Was diesen vor Eifersucht verrückten Wicht betraf, machte er sich erst recht keine großen Illusionen.
„Also schön. Wenn Sie darauf bestehen, von mir aus. Marie Antoinette de France.“ Er streckte die Hand aus. Vilette zögerte. „Geben Sie schon her. Er muss ohnehin neu geschrieben werden. So kann er nicht übergeben werden. Zumindest das sollte Ihnen einleuchten.“
Mit blasierte r Miene händigte Vilette den Brief aus. „Vergessen Sie es kein zweites Mal, Brionne. Es hängt viel davon ab. Sehr viel.“
Als hätte er eine Belehrung dieses großspurigen Schwätzers nötig. Er wusste besser als jeder andere, was davon abhing. Er wollte nicht dazu gezwungen sein, Paris überstürzt zu verlassen, aber das verstand dieses Pack natürlich nicht, das jahrelang mittellos durch Frankreich getingelt war,
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