Kuss der Sünde (German Edition)
Alessandro di Cagliostro nicht genannt. Es verhielt sich vielmehr so, dass er dessen Frau weitaus näher stand als diesem Gauner.
Die de La Motte hakte sich bei ihm unter. „Es sind nicht nur zwielichtige Persönlichkeiten unter meinen Gästen“, versuchte sie, ihn zu verlocken. „Seit ich zu Vermögen kam und mein Einfluss wächst, bewege ich mich in anderen Kreisen. Sogar zwei junge Damen aus echtem Geblüt sitzen in meinem Salon. Sie machen so runde Augen, dass ich wetten könnte, sie sind von zu Hause ausgebüxt, um eine meiner Gesellschaften zu besuchen. Du siehst also, mein Aufstieg schreitet unaufhaltsam voran.“
Das beeindruckte ihn wenig, und doch hätte er grob werden müssen, um seinen Arm aus ihrem Griff zu lösen.
Sie zog eine Schnute und führte ihn zur Tür. „Weshalb fällt es dir immer so schwer, mir zu glauben? Wenigstens eines dieser Unschuldslämmchen kommt aus guter Familie. Sie ist eine Tochter des Marquis de Pompinelle.“
Der Name schlug mit der Wucht eines Kometen in ihn ein. Ein Dröhnen verschloss seine Ohren. Für einen Moment verschwamm sein Sehfeld. Betäubende Kälte kroch in seine Knochen, entstanden aus Hass und unerfüllten Racheplänen. Seit zehn Jahren verdrängte er die Vorfälle, die zum Tod seines Vaters geführt hatten, doch jäh verkürzte sich diese Zeitspanne zu einem Atemzug. Während er der de La Motte ohne weiteren Widerspruch in den Salon folgte und ihr Geplapper über ihn hinwegschwappte, sah er sie wieder vor sich, die Nemesis seines Vaters.
Die schöne Marianne. Typisch für einen Jungen von vierzehn Jahren, hatte er diese Frau nur einmal sehen müssen, um in Liebe zu ihr entbrennen. Er hatte sich nach ihr verzehrt, in Fantasien geschwelgt und übersehen, dass sein Vater eine fatale Affäre mit diesem blonden, eiskalten Engel eingegangen war. Gnadenlos brach sie Herzen und überließ es ihrem gehörnten Gemahl, die Scherben zu beseitigen. Bis heute wusste Olivier nicht, ob der Marquis oder seine hochgeborene Hure die Intrige gegen seinen Vater gesponnen hatte.
Und nun geriet eine ihrer Töchter in seine unmittelbare Nähe. Er hatte Lazare schwören müssen, sich von dieser Familie fernzuhalten. Damals nach dem Tod seines Vaters. Er hatte sich daran gehalten. Bis heute. Wie viele Töchter hatte diese Frau geboren? An eine von ihnen erinnerte er sich. Ein kleines Mädchen mit langen Beinen und dunklem, krausem Haar. Bei seinem ersten Besuch im Haus der Pompinelles hatte es einen Holzstecken gezückt und wollte Fechten üben, weil auch der Papa übte. Ein vorlautes Kind, von sich eingenommen wie die Mutter. Ob es diese Tochter zur de La Motte verschlagen hatte? Einerlei. Er war kein Mann, der gute Gelegenheiten verstreichen ließ, und er musste dieses verdammte Frösteln loswerden, das unter seiner Haut entlangzog, seit die de La Motte diese unheilvolle Familie erwähnt hatte.
„Ausgerechnet zur Sommerzeit muss Justin krank werden. Wie kann man sich bei dieser Hitze überhaupt erkälten, frage ich mich. Der Junge ist doch sonst nicht so empfindlich.“
Marianne ruhte auf einer Ottomane und wedelte sich mit einem Fächer aus Straußenfedern Luft zu. Seit Tagen beklagte sie das leichte Fieber, unter dem Justin litt, und natürlich mehr noch sich selbst, da sein Gesundheitszustand die Familie in Paris hielt.
„Justin wird sich bald erholen, Maman“, versicherte Viviane.
„Madame Noiret hat neuerdings einen Mohren“, wechselte diese abrupt das Thema. „Er trägt ihren Schirm und ihren Fächer. Ich hätte auch gern einen Mohren, aber dein Vater ist dagegen. Stell dir vor, er kommt aus einem Land namens Martinique.“
„Es ist eine Insel, Maman“, klärte sie ihre Mutter auf und zog einen Faden durch das Nadelöhr.
„Wovon sprichst du?“
„Martinique. Es ist eine Insel.“
„Wen interessiert das? Bei dieser Hitze werden meine Füße dick.“ Sie zog ihren Rock höher und bedachte ihre zierlichen Füße in den offenen Pantoffeln mit wehleidigem Zungenschnalzen. „Wo steckt deine Schwester Juliette?“, fragte sie dann und vergaß ihre Füße.
„Sie sagte, sie wolle eine Freundin besuchen.“
„Ohne Begleitung? Bei dieser Hitze sollte sie im Haus bleiben. Hoffentlich hat sie wenigstens einen Sonnenschirm mitgenommen.“
Pauline, die am Fenster saß und seit einer geschlagenen Stunde einen Papierbogen nach dem anderen beschrieb, machte sich durch einen schweren Seufzer bemerkbar und lenkte ihre Mutter von Juliettes Verbleib ab.
„Wenn
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