Kuss der Sünde (German Edition)
schlenderte durch die Dachkammer, beobachtet von Nicolette, die an ihren Nägeln kaute.
„Du bist wahrlich der bärbeißigste und übellaunigste Mann, der mir je begegnet ist, Olivier. Ich habe große Lust, deinem Vorschlag nachzukommen. Leider brauche ich dich.“ An der Tür drehte sie sich um und kehrte zu ihm zurück. Sie setzte beide Hände auf die Lehnen seines Stuhls und beugte sich vor, bis ihre Nase dicht an seiner ruhte. „Und du wirst feststellen, dass du ohne mich und meine Brillanz für den Rest deines Lebens in diesem schäbigen Viertel sitzen und falsche Dokumente kritzeln wirst.“ Im Aufrichten zog sie den Hemdenzipfel aus seinem Hosenbund. „Was nun meinen Coup anbelangt, solltest du dich zusammenreißen und deine Launen unter Kontrolle halten, bevor du mich völlig verprellst.“ Sie wies auf das durchgelegene Kanapee, auf dem er hin und wieder seinen Schlafmangel ausglich. „Gesell dich zu Nicolette und hör mir zu.“
„Ich sitze hier sehr gut.“
„Willst du es nun wissen oder nicht?“
Er wollte, seit sie ihm die Summe von über einer Million genannt hatte. Ohne Eile erhob er sich, ging dicht an ihr vorüber und sank neben Nicolette in das weiche Polster. Provokativ legte er einen Arm um ihre Schultern und gönnte ihr ein verruchtes Lächeln. Nachlässig, denn sie verstand es als Aufforderung, sein Hemd vollends aufzuknöpfen.
„Lass sie“, verlangte die de La Motte, als er sie daran hindern wollte. „Ich werde dich über die Fakten aufklären, Olivier. Meine liebe Freundin Nicolette und ich sind vollauf von deinem Talent überzeugt, und ich rede nicht nur von deiner Fertigkeit mit der Feder. Mein Gemahl, der Rittmeister, hegt hingegen gewisse Zweifel, nachdem er mit Vilette sprach. Er hält dich für ungeeignet, meinen Coup zum Erfolg zu führen.“
Nicolette schlug sein Hemd auf und zeichnete mit den Fingerspitzen Muster auf seine Haut. Er ignorierte sie. „Womit wir abermals bei diesem ominösen Coup sind, den ich beinahe vergessen hätte.“
Unbeirrt von seinem Einwurf setzte sich die Comtesse an seine andere Seite. „Vilette flüsterte meinem Gemahl ins Ohr, dass du dich in einem Sumpf aus Alkohol und Wollust suhlst, der deinen Verstand in Mitleidenschaft gezogen hat. Für die beiden bist du ein verkommenes Subjekt, ein nutzloser Hedonist. Das ist zu schade in Anbetracht der Summe, um die es geht.“
„Überaus bedauerlich und dazu wenig schmeichelhaft“, stimmte er zu.
Nicolette streichelte seinen Bauch und zeichnete die Muskeln nach, während die Comtesse sein Kinn berührte und seinen Kopf zu sich drehte.
„Sage mir, Olivier, lohnt es sich für mich, meinen Gemahl vom Gegenteil zu überzeugen? Die Entscheidung liegt allein bei dir.“ Sie drückte einen harten Kuss auf seinen Mund. „Rittmeister de La Motte wäre unglaublich beruhigt, wenn ich ihm bestätigen könnte, dass du ein einsichtiger, kooperativer Mann bist, dem er vertrauen kann.“
„Kooperativ“, wiederholte er.
„Exakt. Du solltest deine Wünsche und Vorstellungen zu unserer Geschäftsbeziehung für eine Weile hintanstellen und dich den Gegebenheiten beugen.“
Wieder enthob ihn ein Kuss einer Antwort. Ihre Zunge teilte seine Lippen. Gleichzeitig wölbte sich Nicolettes Hand um sein Glied und drückte sacht zu. Wäre er in den letzten Tagen nicht damit beschäftigt gewesen, seine Niedergeschlagenheit in Zaum zu halten, hätte er dieses Spiel genossen. Er hatte sich in Arbeit gestürzt, war jeden Abend in sein Haus im Bois de Boulogne zurückgekehrt und hatte in seinem eigenen Bett geschlafen. Allein. Ninon hielt ihn für geläutert, und er klärte sie nicht darüber auf, dass er gegen einen zunehmenden Abscheu ankämpfte. Er war in einen Sumpf weitab von Wollust und Alkohol geraten. Seine Vergangenheit drängte ungebeten und unerwünscht in den Vordergrund. Die Begegnung mit den Kindern der Pompinelles, obgleich bei dreien nur aus der Distanz, führte zu einer Konfrontation mit sich selbst. Diese elende Familie hatte Rachegelüste in ihm geweckt, wobei er schnell feststellen durfte, wie bitter ihr Beigeschmack werden konnte. Er umfasste Nicolettes Handgelenk und hob ihre Hand aus seinem Schoß. „Sie haben es weit genug getrieben, Madame.“
„Du bist ein schlechter Zuhörer, ist dir das schon aufgefallen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Eine Million und sechshunderttausend. Die Summe, die für dich dabei herausspringt, ist beachtlich. Lass Nicolette ihren Willen, und während sie mit
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