Kuss der Wölfin 03 - Die Begegnung
die Schultern. „Wir haben uns gestritten.“ Ohne eine weitere Erklärung öffnete ich die Tür und schlüpfte hinaus. Andreas kam schon auf mich zu. „Hier bist du“, stellte er fest, „wir haben dich schon gesucht.“ Ich sah an ihm vorbei. Sam war nicht zu sehen.
„Okay, dann muss ich ja nicht mehr fragen, ob ihr reinkommen wollt.“ Ich war etwas genervt von der ewigen Hektik. Für nichts blieb Zeit, ständig hopste ich von einem Thema ins nächste. Ich ging vorweg zu meiner Couch, wo der Sascha gerade seinen Koffer öffnete. Rosa und Katja zogen ein paar Kabel aus einer Nylontasche und suchten Steckdosen. Sascha hob mehrere Notebooks aus dem Koffer und einen Bildschirm. Dann nahm er einen weißen, kleinen Kasten in die Hand und sprang auf. „Moment, Mädels. Das muss direkt an die DSL-Leitung.“ Rosa starrte ihn an, während Katja die Box nahm und sie mit dem DSL-Splitter verband. „Das ist zum Abhören des Streams“, erklärte sie. Rosa nickte, kniete sich hin und steckte den Stecker ein.
„Schön, dass ihr euch wohlfühlt“, sagte ich, ging auf Sascha zu und gab ihm meine Hand. „Ich bin Anna.“ Er lächelte, rückte sich die Brille zurecht und erwiderte den Händedruck. „Hi, ich bin Sascha. Sorry, dass wir hier so reinplatzen. Aber Andy sagte mir, du hättest eine SMS bekommen. Deshalb haben wir alles hierher gebracht.“ Andy? Ich drehte mich zu Andreas um, der grinste. Mattis begann, die Notebooks anzuschalten und miteinander zu verkabeln. Binnen kürzester Zeit sah es in meinem Wohnzimmer aus wie in einer Nerd-Zentrale.
„Wo ist Sam?“, wollte Andreas wissen. Genervt knirschte ich mit den Zähnen. Gleich würde ich ein Tape aufnehmen. Die Fragerei nach ihm ging mir langsam auf die Nerven.
„Wir haben uns gestritten. Ich glaube, er ist nach Hause gefahren.“ Andreas beobachtete mich besorgt.
„Nichts Schlimmes.“ Wenn „Ich will dich nicht wandeln“ nichts Schlimmes war, dachte ich bei mir, ging zum Kühlschrank, um mich abzulenken. Es klingelte und ich verwarf den Gedanken wieder, meinen Gästen etwas zu trinken anzubieten, sondern ging zur Tür. Adam stand kreidebleich vor mir.
„Jo geht nicht ans Telefon.“
Kapitel 22
New York Herbst 2012
«Er wollte weiter mit ihr spielen, und man machte ein schönes Spielzeug nicht kaputt.»
Über eine Stunde später betraten sie das Hochhaus in der 45sten Straße. Marcus ging schnurstracks durch die Eingangshalle auf das
Reception Desk
zu und wechselte einige Worte mit dem bulligen Farbigen, der dahinter saß. Seit mehreren Generationen war dieses Gebäude in seiner Hand. Nichts Menschliches durfte hier sein, selbst die Mitarbeiter, die die Türen öffneten oder Kleinigkeiten besorgten, waren Werwölfe. Der Farbige, Rowland, führte sie zu den Aufzügen. Marcus folgte ihm, ohne einen Blick mit seinen Begleitern zu wechseln. Gerade Mandy musste jetzt begreifen, dass sie nur seine Gespielin war, auch wenn sie insgeheim noch mehr bedeutete.
Sie stiegen in den Fahrstuhl, und Rowland gab einen Zahlencode ein. Marcus fühlte sich beengt, brauchte die Freiheit. Und doch war Manhattan der ideale Platz, um Operationen vorzubereiten, inmitten im Machtzentrum des Geldes, Spekulationen und Wirtschaft zu sein und von dort seine Fäden zu spinnen. Der Nachteil war, dass er zum Jagen nicht eben in den Central Park gehen konnte, sondern aus New York raus, Richtung Kanada musste. Deshalb war er nicht oft hier.
Dass er Anna endlich in Deutschland gefunden hatte, war ihrer eigenen Schusseligkeit zu verdanken. Viel zu offenherzig hatte sie sich in den Social Media Kanälen angemeldet, preisgegeben, wo sie zu finden war. Unter ihrem echten Namen. Als er sie beobachtet hatte, hatte er oft darüber nachgedacht, ob sie es nicht einfach nur beenden wollte. Er war ihr so nahe gekommen wie niemals zuvor, er hätte sie einfach nur mit den Händen zerquetschen können - und doch hat er sie gehen lassen. Nicht, weil er Mitleid mit ihr gehabt hätte. Nein, niemals. Er wollte weiter mit ihr spielen, und man machte ein schönes Spielzeug nicht kaputt. Außerdem hatte er kürzlich ein neues gefunden: den Ring. Er war endlich in seinem Besitz, und er würde damit etwas erschaffen, von dem Werwölfe auf der ganzen Welt immer schon geträumt hatten. Bald schon würden sie frei sein, nach seinen Gesetzen leben. Zunächst wollte er aber seinen privaten Rachefeldzug beenden, und als er sich über den Ort Gedanken gemacht hatte, geplant hatte, wo Anna ihr Ende
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