Kuss des Apollo
einheimische Komparsen.
Genau genommen hatte die Conradi recht. Schauspieler wurden für diese Aufnahmen nicht gebraucht. Sebastian hatte Aufnahmen von der Insel, auch vom Helikopter aus gedrehte, er hatte Bilder von den Propyläen, die zu den Apollotempeln führten, er hatte den Artemistempel, die zwei steinernen Löwen, das Amphitheater und was auf der Insel sonst noch sehenswert war.
Dass er hier in diesem Amphitheater die erste Szene des Films spielen lassen wollte, war seiner Besessenheit geschuldet.
Zum Ersten war er von der Insel, die auch heute noch eine Kultstätte war, fasziniert. Kein Urlaubergetümmel wie auf den anderen Inseln, man kam nur per Schiff hierher, man durfte die noch heute weihevoll wirkenden Stätten besichtigen, und dann musste man die Insel wieder verlassen. Das imponierte ihm, und er fand, dass es keinen für einen Film besser geeigneten Platz gab, der so von der griechischen Mythologie inspiriert war.
Da war zum Zweiten das Amphitheater, das ihm nicht aus dem Sinn gegangen war, seit er es gesehen hatte. Dort und sonst nirgends sollte die erste Szene gedreht werden.
Seiner Besessenheit war auch geschuldet, dass er einen neuen Anfang für seinen Film haben wollte. Es sollte auf jeden Fall anders beginnen als bei Plautus oder Kleist.
Er hatte das seinen Schauspielern schon in München mit großer Ausführlichkeit erklärt.
»Das alte Theben gibt es nicht mehr. Eine Stadt können wir nicht gebrauchen. Einen Juxbetrieb auch nicht. Hier herrscht eine gewisse Feierlichkeit. Und Ruhe, man kommt zur Besinnung.«
Die Conradi und Burckhardt hatten sich das geduldig angehört. Anfangs.
»Amphitryon ist nicht da, er führt Krieg, warum, wieso, spielt für uns keine Rolle. Und das Wesen, das sich in seiner Gestalt Alkmene nähert und sie für diese eine lange Nacht liebt, ist Zeus. Ich möchte aber, dass in der ersten Szene der echte Amphitryon auftritt. Er nimmt Abschied von Alkmene, um ins Feld zu ziehen. Ich möchte, dass er es ist und erst viel später Zeus in der Gestalt des Amphitryon zu Alkmene kommt. Tage später, Wochen später, der Krieg, in den Amphitryon gezogen ist, wird kaum in zwei Tagen beendet sein.«
»Das haben wir ja alles kapiert«, hatte die Conradi gesagt. »Es soll kein Abklatsch von Kleist werden, okay, damit sind wir einverstanden. Aber warum muss der Anfang so kompliziert sein?«
Den Beginn des Films sah nun so aus: Ein Mann und eine Frau, ein Paar also, besichtigen Delos, vage ist eine Gruppe von Touristen angedeutet, dann sind sie allein, wirken ein wenig gelangweilt und ermüdet. Sie trägt weiße Hosen und ein T-Shirt, er Jeans und ein Polohemd. Dann stehen sie vor dem Amphitheater, die Frau breitet die Arme aus und ruft: Was für eine Bühne! Wie herrlich muss es gewesen sein, hier Theater zu spielen.
Sie steigt hinab, geht in die Mitte der Bühne, ruft nach ihm, aber er schüttelt nur den Kopf.
Doch plötzlich ist die Frau verändert, sie trägt ein langes weißes Gewand (vom leichten Sommerkleid war Sebastian abgekommen), sie hat die Haare hochgesteckt, streckt dem Mann die Hand entgegen, und wie in Trance steigt er zu ihr hinunter, nun trägt er die Uniform, von der Sebastian gesprochen hatte, eine elegante Uniform von hellem Grau, auf der Schulter Achselstücke, an der Brust Orden, auf diese Weise wieder ganz modern.
Modern auch der Dialog, die Sprache ganz einfach, sie sind Alkmene und Amphitryon, sie nehmen Abschied, er zieht in den Krieg.
Er sagt: Ich komme wieder, wenn ich gesiegt habe.
Sie sagt: Bleib heil.
Er küsst sie, hält sie im Arm, dann ziehen auch schon die Soldaten heran, umringen sie, ein Offizier tritt auf, ähnlich gekleidet, Befehle, Bewegung, die Truppe zieht ab. Alkmene bleibt mit ihren Mägden allein, sie winkt, sie ist traurig, hat Tränen in den Augen.
So stellte sich Sebastian den Anfang des Films vor, und damit hatte er den Widerspruch seiner Schauspieler herausgefordert.
»Das ist doch einfach läppisch«, hatte Burckhardt gesagt. »Keine großen Worte, na schön. Aber Krieg war ja sicher auch damals nicht so nebensächlich. Ein Satz von ihm, ein Satz von ihr, da kann sie ja gleich sagen, pass auf dich auf.«
»Das soll sie eben nicht sagen. Sie sagt, bleib heil.«
»Das ist genauso dämlich«, darauf die Conradi. »Das ist kein guter Anfang für einen Film. Erst latschen wir herum wie Touristen, dann palavern wir, und plötzlich ist alles verändert. Ich weiß schon, was Sie meinen, Herr Klose. Die andere Kleidung
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