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Kuss des Apollo

Titel: Kuss des Apollo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Danella
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Kleinstadt nun einen voluminösen Part zu spielen hatte. Und den spielte natürlich nicht mehr Tilla, sondern der Star der Truppe. Thomas gab in diesem Stück ihren Liebhaber von damals, den Grund, warum sich das Mädchen mit der Familie verkracht hatte. Er war nun auch zwanzig Jahre älter, ein braver kleiner Angestellter in einer bescheidenen Firma. Die Heimkehrerin erkannte ihn gar nicht wieder.
    Später, als Thomas
Besuch der alten Dame
kennen lernte, das Stück von Dürrenmatt, entdeckte er, dass ihrem Autor etwas Ähnliches eingefallen war. Nur war es nicht so bösartig, der Autor auch nicht so berühmt, aber sie tingelten damit ganz erfolgreich durch die Lande, denn die Hauptdarstellerin war eine ehemals berühmte Filmschauspielerin, die lange keine Rolle bekommen hatte.
    Als sie mit diesem Stück in Lindau gastierten, verließ Tilla ihren Mann. Sie hatte einen charmanten Urlauber kennen gelernt, der sie in seinem Boot spazieren fuhr, mit ihr schwimmen ging, abends mit ihr an der Bar saß und sie nachts mit in sein Hotel nahm. Er war zwölf Jahre jünger als Thomas.
    Aber das dauerte natürlich nicht lange. Als die Truppe in Ulm gastierte, kam sie wieder, sie wusste nicht, wovon sie leben sollte.
    Eine Zeit lang vertrugen sie sich. Er hatte ihr verziehen, sie versuchte sich wieder bei der Truppe nützlich zu machen. Sie erinnerten sich an das, was sie früher Liebe genannt hatten.
    Dann wurde sie schwanger, und das verdarb ihr für lange Zeit die gute Laune. Unlustig, widerwillig bekam sie das Kind, er jedoch freute sich über seine kleine Tochter, die er Geraldine nannte. Und die bestimmt einmal eine gute Schauspielerin werden würde, davon war er überzeugt. Nachdem die Truppe sich aufgelöst hatte, ging es ihnen sehr schlecht, dann bekam er ein Engagement in Hannover, er konnte für einen erkrankten Kollegen einspringen. Hier spielte er zum ersten und letzten Mal in seinem Leben den Faust. Die Hoffnung, dass man ihn ganz übernehmen würde, sei es auch nur für bescheidenere Rollen, erfüllte sich nicht.
    Später erzählte er seiner Tochter: »Ich war wohl nicht besonders gut. Sprachlich war ich auch verschlampt, das kam durch die Tingelei. Und irgendwie schreckte ich vor der Rolle zurück. Ich hatte den Faust schließlich bei Gründgens am Staatstheater in Berlin gesehen.«
    In Hannover fasste er dann den Entschluss, nach Berlin zu fliegen. »Ich muss meine Mutter wiedersehen. Sie ist jetzt Rentnerin und darf uns besuchen. Sie ist alt und einsam, ich muss sie endlich wiedersehen.«
    Tilla widersprach nicht. Sie war zermürbt, unglücklich, sie liebte weder Mann noch Kind, aber sie wusste nicht, wohin mit sich.
    Das Geld für den Flug hatte er eisern gespart, und in Berlin reichte es noch für eine billige Pension in der Kantstraße. Und dann machte er sich auf die Suche nach einem Engagement.
    Doch Dorothea Bantzer war weder alt noch einsam. Ganz im Gegenteil.
    Sie trug ein hübsches graues Kostüm, sie hatte noch immer schlanke, gut geformte Beine, beim Friseur war sie auch gewesen und kam sehr blond und sehr ansehnlich in die Kantstraße. Alt sah sie gar nicht aus, keineswegs wie eine arme unterdrückte DDR-Bürgerin.
    Einen guten Job hatte sie auch gehabt, sie war Garderobenfrau beim Berliner Ensemble gewesen, schwärmte wie früher begeistert vom Theater und erzählte von erfolgreichen Aufführungen.
    »Schauspielerin wollte ich gar nicht werden, das stand nie zur Debatte. Mein Vater hätte mich wohl verprügelt. Du bist es nun, Thomas. Schade, dass du nicht in Meiningen geblieben bist, dann hätte ich dich noch in vielen schönen Rollen sehen können.«
    Das hatte er sich in den letzten Jahren auch manchmal gedacht. Aber er sagte mit ein wenig Trotz in der Stimme: »Ich wollte in Freiheit leben.«
    »Na ja, sicher, das ist ja gut und schön. Aber in einem Engagement bist du auch nicht frei. Du hast einen Intendanten, der über das Programm bestimmt, du hast einen Regisseur, der vielleicht das anordnet, was dir keineswegs passt.«
    »Euren Ulbricht kann ich nun mal nicht ausstehen«, fügte er hinzu.
    »Er ist nicht mein Ulbricht«, wehrte sich Dorothea. »Ich mag ihn auch nicht. Ich kenne eigentlich niemanden, der ihn leiden kann.«
    »Auch am Theater nicht?«
    »Das ist kein Thema«, antwortete sie kühl.
    Einsam war sie nicht. Sie hatte, und das war die Überraschung, einen Lebensgefährten.
    Es war der Obmann der Logenschließer, sie war seit Jahren mit ihm befreundet, sie schienen sich gut zu

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