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Kuss des Apollo

Titel: Kuss des Apollo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Danella
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konnte.
    Das kapierte Thomas sehr schnell. In die Schule wollte er sowieso nicht mehr gehen, er wollte Schauspieler werden, und zwar so schnell wie möglich. Das würde seiner Mutter und ihm das Leben erleichtern, denn Künstler bekamen bei den Russen die besten Lebensmittelkarten.
    Durch seine zahlreichen Theaterbesuche kannte er viele Schauspieler – er hatte sich so oft wie möglich Autogramme geholt und immer mit leuchtenden Augen erklärt, dass er bald mit ihnen auf der Bühne stehen wollte –, manche erinnerten sich an ihn; seine Begeisterung, seine Bewunderung waren ihnen im Gedächtnis geblieben. Einer gab ihm kostenlos Schauspielunterricht, ein anderer Klavierunterricht. Den hatte ihm seine Mutter schon gegeben, sie spielte sehr gut, doch er hatte nur widerwillig geübt.
    Jetzt erfuhr er, ein gerettetes Klavier sei ein Vermögen wert. Obwohl es in dem einzigen Zimmer, in dem sie jetzt wohnten, etwas eng wurde durch das Klavier.
    »Merk dir, Thomas, für dein Leben: Etwas so Wertvolles wie ein Klavier darf man nicht verkaufen, nicht auf dem schwarzen Markt verhökern, nicht verraten. Ein leerer Magen lässt sich ertragen, ein Leben ohne Musik nicht«, gab ihm einer seiner Lehrer mit auf den Weg. Nun lernte er ordentlich Klavier spielen, lernte sprechen und auch singen, und dann nahm man ihn mit ins Theater, er wurde zunächst einmal Statist.
    Als dann die Amerikaner in Berlin einzogen, bewährte sich Thomas als geschickter Schwarzmarktbesucher. Sein Schauspieltalent erprobte er zunächst an den Amis. Er war ein hübscher Junge, hatte Charme, etwas Englisch hatte er in der Schule gelernt, und das verwandelte sich schnell in ein passables Amerikanisch, er hatte nun mal ein musikalisches Ohr.
    So gewann er auch im Westteil der Stadt ein paar gute Freunde, lernte in Windeseile die amerikanischen Songs und erklärte:
»Later, I’m going to Hollywood.«
Darüber lachten sie dann. Er bekam die kostbaren Zigaretten, hier und da klaute er welche, wenn es gelang, eine Stange. Die verkaufte er wiederum auf dem schwarzen Markt, er und seine Mutter lebten davon nicht schlecht.
    Schon 1946 bekam er kleine Rollen, 47 und 48 erst recht, die DEFA war schon gegründet, er durfte Probeaufnahmen machen. Und dann kam es zur Blockade. Die Amerikaner schufen die Luftbrücke. Es gab zwar noch keine Mauer, aber die Stadt war trotzdem geteilt. Nicht für ihn. Er bewegte sich ungeniert in Berlin, bemühte sich auch im westlichen Teil um ein Engagement, so bei Barlog am Schlossparktheater in Steglitz, doch es fehlte ihm noch an Erfahrung, außerdem lebten seine Freunde, die ihn ausbildeten und förderten, eben im Osten. Er lernte ständig von ihnen, half beim Schminken und Ankleiden, stand in den Kulissen, hörte zu und passte auf.
    Und er bekam jetzt respektable Rollen, fand Anerkennung, der Traum vom Romeo lebte wieder auf. Einer der älteren Kollegen nahm ihn beiseite: »Du wirst ihn spielen, aber nicht hier. Schau dich doch um, Schauspieler gibt es mehr als genug. Das ist in allen großen Theaterstädten jetzt so.
    Ich habe neulich Post von Ferry bekommen, Ferry Mohring, den kennst du doch auch noch, der lebt jetzt in München. Viele sind nach München geflüchtet. Da wimmelt es geradezu von Schauspielern, die Arbeit suchen, schreibt er. Außerdem – wie willst du hinkommen? Man muss fliegen. Wo nimmst du das Geld her?«
    »Es gibt doch den Interzonenpass.«
    »Und deine Mutter lässt du hier allein?«
    »Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, sagte Thomas.
    »Ich würde dir raten, in die Provinz zu gehen. Da bekommst du Rollen, da sammelst du Erfahrungen, und wenn du genug gelernt hast – und man wieder normal in den Westen reisen kann, dann kannst du immer noch nach München gehen.«
    »Ich fände Düsseldorf auch gut«, sagte Thomas.
    »Aha. Dir spukt Gründgens im Kopf herum. Der hat das richtig gemacht. Obwohl man ihm hier ja goldene Brücken gebaut hat. Aber bei den Kommunisten wollte er nun mal nicht bleiben.« Es herrschte ein lockerer Ton beim Theater. Wer ein richtiger Kommunist war, das wusste man, mit dem sprach man nicht viel.
    Man schrieb das Jahr 1951. Die Blockade war vergessen. Der Westen entwickelte sich mit Riesengeschwindigkeit, die neue Währung, die D-Mark, der Grund für die Blockade, brachte Aufbau und Wohlstand, was man von der Ostwährung nicht sagen konnte.
    Und so stellten sich die meisten Menschen nur eine Frage: Wie komme ich in den Westen?
    Viele versuchten es, und vielen gelang es. Noch

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