Kuss des Apollo
Sie war seit Monaten allein. Niemand liebte sie. Hatte es Sinn, nach Alexander zu fragen?
Seine Hände glitten sacht über ihre Schultern. Er fand am Hals den Verschluss des Kleides, zog langsam den Reißverschluss auf, und das lichtblaue Modell glitt zu Boden.
Sie ist wirklich zu dünn, dachte er.
Er hatte noch einen Augenblick Zeit, zur Besinnung zu kommen. Langsam trat er zur Seite. Sah sie an.
»Willst du wirklich, dass ich bei dir bleibe?«
»Warum fragst du?«, erwiderte sie heftig.
Sie wandte sich um und ging in das Schlafzimmer.
Er ging langsam zur Tür und drehte den Riegel um.
Er musste bei ihr bleiben. Er wollte bei ihr bleiben. Es gab keinen Grund, an Jana zu denken. Und schon gar nicht an Alexander.
Als er in das Schlafzimmer kam, lag sie bereits im Bett. Sie streckte ihm beide Arme entgegen. Es gab überhaupt nichts mehr zu denken.
Es war eine Überwältigung, oder wenn man so wollte, eine Vergewaltigung. Eine Frau, die ihn mit leidenschaftlicher Hingabe empfing. Dass der junge Mann, der vor einer Stunde aus der Bar gekommen war, ein Mann mit dunklem Haar und dunklen Augen, der Auslöser war, konnte er nicht wissen.
Auch sie hätte es nicht erklären können.
Es wurde für beide eine gelungene Nacht. Dank Jana war er noch gut in Form.
Doch was in dieser Nacht geschah, war mit allem, was er bisher erlebt hatte, nicht zu vergleichen. Und sie benahm sich ganz anders, als er es von den meisten Frauen kannte. Es schien sie nicht zu bekümmern, ob sie das Bett beschmutzt hatten. Sie stand nicht auf und lief ins Bad, um sich zu waschen. Sie blieb dicht an ihn geschmiegt liegen, sie rührte sich lange nicht, es schien ihr nichts auszumachen, dass ihre Schenkel feucht waren.
Sie flüsterte nur einmal: »Danke.«
Sein Mund lag an ihrer Schläfe. Dann schlief sie ein, ganz sanft und ruhig.
Er schob sich langsam aus dem Bett, stand eine Weile regungslos da. Er musste in sein Zimmer gehen. Es lag zwar nebenan, doch die Verbindungstür war verschlossen.
Er zog Hose und Jackett an und schlich sich leise hinaus.
Er konnte lange nicht einschlafen. Unbegreifliches war geschehen. Aber er war bewegt, er war glücklich. Er dachte nicht an Jana. Nur einmal kurz an Alexander. Der war längst in Berlin gelandet.
Am Morgen überlegte er eine Weile, was er tun sollte. Dann nahm er das Telefon und rief bei ihr an.
Sie meldete sich sofort.
»Hast du ausgeschlafen?«, fragte er.
»Ja. Schon lange. Ich habe sehr gut geschlafen.«
»Das freut mich. Wollen wir zusammen frühstücken?«
Ein ganz normales Gespräch, doch er hatte das Gefühl, sich in einer unbegreiflichen Situation zu befinden.
»Hier bei mir im Zimmer? Ich bestelle Frühstück für zwei …«
»Aber bitte kein Ei. Ich habe jetzt wochenlang jeden Tag ein Ei zum Frühstück essen müssen.«
Er lachte. »Falls ein Ei zum Frühstück gehört, brauchst du es ja nicht zu essen.«
Er bestellte das Frühstück und dann den Hausdiener, damit die Verbindungstür geöffnet wurde.
Sie war sehr überrascht, als er durch die Verbindungstür in ihr Zimmer kam. Sie war im Bad und kämmte ihr Haar, es schien dunkler zu sein als am Tag zuvor, es glänzte seidig.
»Ach, du wohnst gleich nebenan? Das habe ich gar nicht gewusst.«
Sie war nackt, kam ungeniert auf ihn zu, ließ sich umarmen. Er trug den Hotelbademantel, nahm ihren vom Bügel und legte ihn ihr um.
Noch immer hatte er das Gefühl, in einem Traum zu leben, aus dem er gleich erwachen würde.
Sie kam mit ihm in sein Zimmer, das Frühstück war serviert, sie betrachtete den Tisch und sagte: »Wer soll denn das alles essen?«
»Du isst ein Brötchen mit Honig oder Marmelade.«
»Aber ein Ei ist auch da.«
»Das gehört wohl zu einem ordentlichen Hotelfrühstück.«
Er redete und wusste nicht, was er redete.
»Ich esse gern ein Ei zum Frühstück, das macht mein Vater auch, ein- oder zweimal in der Woche. Nur jeden Tag, das ist mir zu viel. Aber die Eier von Oma Holm sind eben etwas ganz Besonderes.«
Sie redete ganz unbefangen, so als würde sie jeden Tag mit ihm frühstücken. Als hätte sie schon oft mit ihm geschlafen.
Sie setzte sich auf das Sofa hinter den Tisch, er schenkte ihr Kaffee ein.
»Zucker? Milch?«
»Ja, bitte.«
Langsam entspannte er sich und trank einen Schluck von seinem Kaffee, nahm sich auch ein Brötchen.
Versuchte ein normales Gespräch.
»Es hat dir bei Frau Holm gut gefallen? Wie war es denn so?«
»Hab ich doch gestern schon erzählt. Sie ist eine stolze
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