Kuss des Feuers
Schurken losging. Die lange Klinge schlitzte die dünne, bronzefarbene Seide auf, ehe sie klirrend auf den Stahlrahmen traf. Mit einem Ruck schloss sie den Schirm wieder und riss ihn zusammen mit dem Dolch zur Seite. Die Augen des Maskierten blitzten auf, und ihr Herz setzte einen Schlag aus, aber sie war vorbereitet, als er mit der Faust in Richtung ihres Gesichts ausholte, aber zu Boden stürzte, als Archer einen heftigen Fluch ausstieß und den Schurken fest gegen das Schienbein trat.
Der Mann taumelte zur Seite und kippte dann nach hinten. Mit einem lauten Pfeifen wich beim Aufprall alle Luft aus seiner Lunge. Sein Kopf knallte mit einem dumpfen Schlag aufs Kopfsteinpflaster.
Archer sprang auf, um erneut anzugreifen. Doch der andere kam sofort wieder hoch und rannte tiefer in die Gasse, wo die Dunkelheit ihn verschluckte. Miranda rechnete damit, dass Archer ihm hinterherjagen würde, doch er beugte sich vor und half ihr vorsichtig auf.
Das Geräusch sich schnell entfernender Schritte war noch eine Weile zu hören, ehe sich wieder nächtliche Stille herabsenkte. Wirbelnde Schwaden dreckig braunen Nebels über dem Pflaster waren die letzten Hinweise darauf, was eben vorgefallen war.
Archer ließ ihren Arm los und trat einen Schritt zurück. Die schwarze Seidenmaske bedeckte immer noch sein Gesicht, aber bei dem Handgemenge hatte er seinen linken Handschuh verloren. Der Anblick sehr menschlicher, unversehrter Haut hielt sie gebannt – ein weiteres Teil seiner Panzerung war gefallen. Sie starrte die langen Finger mit den ovalen Nägeln und das zarte Adergeflecht auf seinem Handrücken an. Weiche schwarze Härchen wuchsen gleich über den festen Knochen seines Handgelenks und verschwanden unter den steifen weißen Manschetten. Es handelte sich um seine linke Hand, registrierte sie plötzlich gereizt. Archer hatte erklärt, nur seine rechte wäre betroffen.
Sie brach ihre Überlegungen ab, als sie merkte, dass er kein Wort gesagt hatte, sie aber aus schmalen Augen ansah. Das Wissen, gleich Archers Zorn über sich ergehen lassen zu müssen, ließ ihre Knie ganz weich werden, und deshalb tat sie so, als würde sie ihr Kleid inspizieren. Ein leises Stöhnen echten Selbstmitleids kam über ihre Lippen, als sie den Schaden sah. Große Placken Schlamm und schwarzes Wasser bedeckten die rechte Seite des hellgelben Satinrocks, der damit unwiederbringlich ruiniert war. Mit einem unterdrückten Fluch ließ sie die Schleppe fallen und drehte sich zu ihrem schweigenden Ehemann um.
Der stand mit auf die schmalen Hüften gestemmten Händen da, atmete leicht und gleichmäßig, während ein unergründlicher Ausdruck hinter der Seidenmaske zu erkennen war. »Bist du verletzt?«
»Ich werde wochenlang wegen dieses Kleides trauern«, scherzte sie, obwohl sie sich aus Vorsicht innerlich anspannte. »Aber mir selber ist nichts passiert.«
Er lächelte nicht über den Scherz, sondern sah sie einfach nur weiter an, wobei sein Kiefer hart wie Granit wirkte. Ein großer Tropfen Blut bildete sich an seinem Mundwinkel, ehe er nach unten lief. Sie hätte diesen Mund beinahe geküsst.
»Du blutest«, stellte sie merkwürdig nervös fest. Er strahlte nur mühsam gezügelte Energie aus, und Miranada spürte, wie sehr er sich zusammenriss.
Gleichgültig wischte er sich das Blut mit dem Ärmel ab. »Ich hatte dir gesagt, dass du auf mich warten sollst«, erklärte er täuschend sanft.
Ihre Hand zitterte, als sie ihre zerknitterten Satinröcke glatt strich. »Ja.«
»Du hast es aber nicht getan.«
»Nein.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte sie an.
»Du … du bist nicht ärgerlich?«
»Ich koche«, erklärte er leichthin. Silberfarbene Augen glitten über sie, und er presste die Lippen so fest aufeinander, dass der Muskel an seinem Kiefer deutlich hervortrat. Ja, er kochte tatsächlich vor Wut.
»A-aber du schreist nicht herum.«
Ein Mundwinkel ging in die Höhe. Gerade er wusste, wie er normalerweise seinem Zorn Luft machte. »Das ist seltsam.«
Ärgerlich wandte sie sich von ihm ab und zog die Handschuhe aus, um die geprellten Knöchel zu untersuchen. Archer beobachtete sie regungslos dabei, was sie nur noch unruhiger machte. Verabscheuungswürdiger Mann.
»Du beharrst darauf, mir ständig zu folgen«, erklärte er so plötzlich, dass sie zusammenzuckte. »Gehst an Orte, die nur ein bewaffneter Mann oder ein Mensch mit schlechtem Ruf aufsuchen würde. Du bringst dich in Situationen, bei denen sich sogar ein
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