Kuss des Feuers
berauschende Zucken von Zunge an Zunge, aber richtig geküsst hatte er sie noch nicht. Und sie spürte, dass sie sich nach einem richtigen Kuss sehnte. Reden war dem Schweigen vorzuziehen.
»Dann bist du also zu mir nach Hause gekommen, um meinen Vater umzubringen«, meinte sie im Konversationston. »Da sind wir uns einig.«
Archer brummte etwas und sah dabei weiter aus dem Fenster.
»Aber dann hast du es doch nicht getan. Warum nicht? Aus Mitleid?« Nachdenklich klopfte sie sich mit dem Finger an die Lippen, während sie es genoss, ihn zu necken. »Warst du erschöpft? Oder habe ich dich verscheucht?« Das brachte ihr ein fast schon empörtes Schnauben ein. »Was dann? Was war der Grund?«
Er drehte den Kopf, um sie wütend anzusehen. »Die Logik treibt dich dazu zu denken, ich hätte deinen Vater ausgewählt und ihn ruiniert, weil ich dich um mehr als alles in der Welt heiraten wollte«, erklärte er grob.
15
So ein verschlossener, niederträchtiger Kerl. Innerlich kochte Miranda. Allerdings kannte sie Archer mittlerweile gut genug, um zu erkennen, dass er versuchte, sie abzulenken, wenn er lächerliche Bemerkungen machte und beleidigend wurde. Zudem wusste sie, dass er log. Deshalb erwiderte sie auch nichts, sondern ließ ihn in der Erkenntnis schmoren, dass sein Plan, sie zu verunsichern, fehlgeschlagen war. Sie gab sich den Anschein, völlig entspannt zu sein – als würde sie nicht immer noch die Ahnung seiner Berührung verfolgen, als würde sie nicht bei jeder Bewegung die feuchte Wärme zwischen ihren Schenkeln spüren. Sie ignorierte ihn, als er ihr argwöhnische Blicke zuwarf. Sollte er sich doch winden. Auch sie war durchaus in der Kunst der Manipulation bewandert.
Zu Hause angekommen, stürmte er in die Eingangshalle und steuerte sofort auf die Treppe zu, während er offensichtlich davon ausging, dass sie wie ein verängstigtes Mäuschen auf ihr Zimmer rennen würde. Der Mann war verrückt, wenn er meinte, sie würde ihn einfach davonspazieren und im ganzen Haus sein Blut verteilen lassen, ehe er ihr nicht alles erzählt hatte. Sie folgte ihm und raffte ihre Röcke, um mit seinen langen Schritten mithalten zu können. Als er die Treppe erklimmen wollte, entschlüpfte seinen zusammengepressten Lippen ein leises Ächzen, und er zögerte. Sofort war sie an seiner Seite.
»Lass mich dir helfen«, sagte sie und nahm seinen Arm.
»Geh ins Bett, Miranda.«
Ihre Finger bohrten sich in seinen Ellbogen, und er zuckte wieder zusammen. Auch auf seinem Oberarm war ein Blutfleck zu sehen. Sie lockerte ihren Griff, ließ ihn aber nicht los.
»Soll ich eine Szene machen?« Sie warf einen demonstrativen Blick auf einen der Lakaien, der in der Eingangshalle strammstand. »Oder sollen wir uns gemeinsam zu deinen Räumlichkeiten begeben?«
In seinen Augen flackerten unterschiedliche Emotionen, von denen die vorherrschende äußerste Verärgerung war. »Ich dachte schon, du würdest nie fragen«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Archers Zimmer
. Es sah der Bibliothek sehr ähnlich. Die Wände waren mit warm schimmerndem Holz getäfelt, bequeme Ledersessel und eine große Ledercouch standen vor dem Kamin. Sie hielt den Blick von dem riesigen Himmelbett mit silbernen Samtvorhängen abgewandt und folgte Archer. Der stapfte zu einer Anrichte, die neben dem Fenster stand, und füllte sich einen Cognacschwenker mit Brandy.
Ihr Blick glitt zu der breiten Tür, die ihr Zimmer mit seinem verband. So nah. Jede Nacht war er ihr so nah, und doch blieb er ein Gentleman und wahrte Distanz. Allein das erfüllte sie schon mit zärtlicher Dankbarkeit. Der Schmerz in ihrer Brust war doch Dankbarkeit, oder nicht?
Er streifte Gehrock und Weste ab, sodass nur noch Hemd und Kragen seinen Oberkörper bedeckten. Dann trat er vor den mannshohen Spiegel in der Ecke. Vorsichtig zog er den zerrissenen, blutdurchtränkten Stoff auseinander und untersuchte die Wunde.
»Shit.« Der scharfe Kraftausdruck beendete das Schweigen.
Sie kam näher und holte zischend Luft. Die Verletzung war gute fünfzehn Zentimeter lang und ziemlich tief. Blauschwarzes Blut füllte die klaffende Wunde. Der Boden unter ihren Füßen schwankte.
»Der Muskel scheint nichts abbekommen zu haben.« Archer riss den Kopf hoch. »Setz dich hin, ehe du ohnmächtig wirst.«
Sie ließ sich in einen Sessel sinken und beobachtete ihn dabei, wie er einen Stapel weißen Leinenstoffs aus einer Schublade zog und auf die Wunde presste. Der Stoff wurde
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