Kuss im Morgenrot: Roman
und den Ramsay-Fluch gleich mit.«
»Es gibt keinen Ramsay-Fluch«, warf Amelia ein.
»Ach ja?« Leo lächelte finster. »Warum sind dann die letzten sechs Lord Ramsays in kürzester Zeit einer nach dem anderen gestorben?«
»Purer Zufall«, erwiderte sie. »Wie es aussieht, war dieser eine Zweig der Familie ziemlich ungeschickt und außerdem von Inzucht geplagt. Ein allgemein bekanntes Problem bei Blaublütigen.«
»Das Problem haben wir definitiv nicht.« Leo wandte seine Aufmerksamkeit wieder Merripen zu. »Erzähl mir von diesen rechtlichen Angelegenheiten. Und bitte in einfachen Worten. Zu dieser frühen Stunde widerstrebt es mir, meinen Kopf allzu sehr anzustrengen.«
Merripen saß am Tisch und sah nicht gerade glücklich aus. »Dieses Haus«, sagte er, »und das Grundstück, auf dem es steht, insgesamt ungefähr vierzehn Morgen, waren nicht Teil des ursprünglichen Ramsay-Besitzes. Es kam erst später hinzu. In der Fachsprache nennt man das Zinslehen, ein vom Hauptbesitz abgetrenntes Eigentum. Anders als der Rest des Grundbesitzes kann das Zinslehen nach dem Willen des Lords hypothekarisch belastet, gekauft oder verkauft werden.«
»Gut«, sagte Leo. »Ich bin der Lord, und ich möchte weder etwas belasten noch verkaufen, damit ist doch alles gesagt, oder?«
»Nein.«
» Nein ?« Leo blickte finster drein. »Nach den Regularien des Erblehens behält der Lord sein Land und sein Gutshaus. Sie sind untrennbar. Und nichts vermag dies zu ändern.«
»Das ist richtig«, bestätigte Merripen. »Du hast einen Anspruch auf den alten Gutshof am nordwestlichen Rand des Grunds, wo sich die beiden Flüsse vereinigen.«
Leo stellte seinen halb gefüllten Teller ab und starrte Merripen verständnislos an. »Das ist doch ein einziger überwucherter Trümmerhaufen! Der Bau stammt aus der Zeit Eduard des Bekenners, um Himmels willen!«
»Ja«, sagte Merripen in sachlichem Ton. »Das ist dein wahres Heim.«
Leo, der jetzt richtig ungehalten war, erwiderte donnernd: »Ich will die verdammte Bruchbude nicht, ich will dieses Haus. Warum gibt es damit ein Problem?«
»Soll ich es ihm erklären?«, meldete sich Beatrix zu Wort. »Ich habe sämtliche Begriffe nachgeschlagen, ich weiß es am besten.« Mit ihrem zahmen Frettchen Dodger über der Schulter richtete sie sich auf und fuhr eifrig fort: »Es ist so, Leo. Das ursprüngliche Gutshaus wurde vor ein paar Jahrhunderten zerstört. Einer der früheren Lord Ramsays erwarb die vierzehn Morgen große Parzelle und ließ darauf ein neues Haus bauen. Seither wurde das Ramsay-Anwesen immer an den neuen Viscount weitergegeben. Der letzte Lord Ramsay aber – der letzte vor dir – fand einen Weg, sämtlichen veräußerlichen Besitz, einschließlich des Zinslehens, seiner Frau und seiner Tochter zu übereignen. Er hat ihnen sämtliche Rechte übertragen, der Besitz gehört ihnen auf Lebenszeit. Das Ramsay-Anwesen und die vierzehn Morgen Land, auf dem es steht, wurden also der Countess Ramsay und ihrer Tochter Vanessa Darvin überschrieben.«
Leo schüttelte ungläubig den Kopf. »Warum haben wir nicht früher davon erfahren?«
Amelia antwortete mit niedergeschlagener Stimme:»Offenbar hatte die Witwe zuvor kein Interesse an dem Haus, zumal es in einem so schlechten Zustand war. Nun aber, da es so wunderbar restauriert ist, hat sie unseren Anwalt informiert, dass sie gedenkt einzuziehen und den Besitz anzutreten.«
Leo war zutiefst empört und wütend. »Ich will verdammt sein, wenn ich tatenlos dabei zusehe, wie jemand den Hathaways das Ramsay-Anwesen abspenstig macht. Ich werde die Sache dem Kanzleigericht in Westminster vorlegen, wenn es sein muss.«
Merripen rieb sich die Augenwinkel. »Westminster wird die Sache ablehnen.«
»Woher willst du das wissen?«
»Unser Anwalt hat in seiner Kanzlei mit dem Sachverständigen für Zinslehen gesprochen. Leider wurde das Ramsay-Anwesen nie in ein Erbgut umgewandelt, nur der ursprüngliche Gutshof.«
»Können wir der Witwe das Zinslehen nicht einfach abkaufen?«
»Sie hat bereits erklärt, kein Geld der Welt könne sie dazu bewegen, es aufzugeben.«
»Frauen ändern oftmals ihre Meinung«, sagte Leo. »Wir machen ihr ein Angebot.«
»Sehr schön. Sollte sie jedoch ablehnen, gibt es nur eine Möglichkeit für uns, das Haus zu halten.«
»Ich brenne darauf zu erfahren, was das sein könnte«, sagte Leo.
»Der letzte Lord Ramsay hat ein paar Vorkehrungen getroffen. Solltest du heiraten und binnen fünf Jahren nach deiner
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