Kuss im Morgenrot: Roman
Erhebung in den Adelsstand einen ehelichen Sohn zeugen, würde das Zinslehen einschließlich des Gutshauses wieder an dich zurückfallen.«
»Binnen fünf Jahren?«
Win antwortete mit Sanftmut: »In den letzten drei Jahrzehnten ist es keinem der Ramsays gelungen, nach der Übernahme des Titels länger als fünf Jahre am Leben zu bleiben. Noch hat auch nur einer von ihnen einen ehelichen Sohn in die Welt gesetzt.«
»Die gute Nachricht ist, Leo«, sagte Beatrix heiter, »dass seit deiner Titelübernahme schon vier Jahre vergangen sind. Wenn du es schaffst, nur noch ein weiteres Jahr zu überleben, ist der Fluch der Familie gebrochen.«
»Außerdem«, fügte Amelia hinzu, »musst du heiraten und so bald wie möglich einen Sohn zeugen.«
Leo starrte ausdruckslos in die erwartungsvolle Runde. Ein ungläubiges Lachen entfuhr ihm. »Ihr seid alle verrückt geworden, wenn ihr glaubt, dass ihr mich zu einer Ehe ohne Liebe zwingen könnt, nur damit die Familie weiter in Ramsay House wohnen kann.«
Win reichte ihm ein Blatt Papier und lächelte ihm beschwichtigend zu. »Mein Lieber, natürlich würden wir dich nie zu einer Ehe ohne Liebe zwingen wollen. Trotzdem haben wir schon einmal eine Liste mit potenziellen Bräuten zusammengestellt, allesamt liebenswerte Mädchen. Willst du nicht einen Blick darauf werfen, ob dir vielleicht eine von ihnen gefällt?«
Leo beschloss, es mit Geduld zu versuchen, und überflog die Liste. » Marietta Newbury ?«
»Ja«, sagte Amelia. »Was spricht gegen sie?«
»Ich mag ihre Zähne nicht.«
»Und was ist mit Isabella Charrington?«
»Ich mag ihre Mutter nicht.«
»Lady Blossom Tremaine?«
»Ich mag ihren Namen nicht.«
»Um Himmels willen, Leo, dafür kann sie doch nichts.«
»Das ist mir egal. Ich kann unmöglich eine Frau heiraten, die Blossom heißt. Ich hätte jeden Abend das Gefühl, eine meiner Kühe herbeizurufen.« Leo richtete den Blick gen Himmel. »Ich könnte die Erstbeste von der Straße heiraten. Warum also nicht gleich Marks?«
Es folgte allgemeines Schweigen.
Als Catherine Marks, die noch immer in der Ecke saß, merkte, dass die Aufmerksamkeit sämtlicher Hathaways auf sie gerichtet war, hob sie langsam den Blick. Die Augen hinter den Brillengläsern wurden riesengroß, und ein Anflug von Röte huschte über ihr Gesicht. »Das ist nicht lustig«, sagte sie mit scharfer Stimme.
»Das ist die perfekte Lösung«, entgegnete Leo und hatte seine diebische Freude an ihrer aufrichtigen Empörung. »Wir streiten die ganze Zeit. Wir können einander nicht ausstehen. Es ist praktisch so, als wären wir schon verheiratet.«
Catherine sprang auf und starrte ihn wutentbrannt an. »Ich würde Sie niemals heiraten.«
»Schon gut, ich habe Sie ja auch gar nicht gefragt. Ich habe nur ein Argument vorgebracht.«
»Was fällt Ihnen ein, mich für Ihre Argumente zu benutzen!« Sie rannte aus dem Zimmer, und Leo starrte ihr nach.
»Weißt du«, schlug Win vor, »wir sollten einen Ball veranstalten.«
»Einen Ball?«, fragte Merripen verdutzt.
»Ja, und alle heiratswürdigen jungen Frauen einladen, die uns in den Sinn kommen. Gut möglich, dass eine von ihnen Leos Geschmack trifft, und dann könnte er ihr gleich den Hof machen.«
»Ich werde überhaupt niemandem den Hof machen«, erwiderte Leo.
Die anderen schenkten ihm keine Beachtung.
»Ich finde die Idee gut«, sagte Amelia. »Ein Brautjagdball!«
»Es wäre wohl treffender«, warf Cam trocken ein, »ihn Bräutigamjagdball zu nennen, da Leo das Beutegut sein wird.«
»Das ist ja wie bei Aschenputtel«, rief Beatrix. »Nur ohne den bezaubernden Prinzen.«
Schließlich beendete Cam die Kabbelei mit einer entschiedenen Geste. »Jetzt bleiben wir mal alle ganz ruhig. Sollte es am Ende wirklich dazu kommen, dass wir Ramsay House verlieren – Gott behüte –, dann bauen wir uns eben ein neues Haus auf dem freien Grund.«
»Das würde ewig dauern, und die Kosten wären enorm«, protestierte Amelia. »Außerdem wäre es nicht das Gleiche. Wir haben so viel Zeit und Herzblut in die Restaurierung des Hauses gesteckt.«
»Vor allem Merripen«, fügte Win leise hinzu.
Merripen schüttelte leicht den Kopf. »Es ist nur ein Haus.«
Doch sie alle wussten, dass es mehr war als nur ein Bauwerk aus Ziegeln und Mörtel … Es war ihr Zuhause. Cams und Amelias Sohn war hier geboren. Win und Merripen hatten hier geheiratet. Mit all seinem willkürlichen Charme war Ramsay House der perfekte Ausdruck der Hathaway-Familie
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