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Kuss im Morgenrot: Roman

Kuss im Morgenrot: Roman

Titel: Kuss im Morgenrot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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kommen?«
    Sie schwieg. Leo erwartete, dass sie anfangen würde, sich mit ihm zu streiten oder ihn zu beschimpfen. Zu seiner Verwunderung starrte sie ihn jedoch nur kleinlaut an. »Da mögen Sie recht haben. Ganz gleich, ob die Gerüchte wahr oder falsch sind, es war in jedem Fall nicht richtig von mir hinzuhören.«
    Leo wartete darauf, dass sie noch eine spitze Bemerkung nachschieben würde, doch ihre Einsicht schien aufrichtig zu sein. Was in der Tat überraschend war. Spätestens da wurde Leo klar, wie wenig er von dieser einzelgängerischen, ernsten jungen Frau wusste, die schon so lange neben seiner Familie herlebte.
    »Was sagen die Klatschbasen denn so über mich?«, erkundigte er sich beiläufig.
    Sie warf ihm einen bitteren Blick zu. »Ihre Talente als Liebhaber sind viel gepriesen.«
    »Nun, diese Gerüchte sind natürlich wahr.« Er schnalzte mit der Zunge, als wäre er ernsthaft schockiert. »Über solche Dinge plappern die alten Witwen?«
    Ihre schmalen Brauen wölbten sich erstaunt. »Was dachten Sie denn, worüber sie reden?«
    »Stricken. Gelee-Rezepte.«
    Sie schüttelte den Kopf und verkniff sich ein Lachen.
    »Wie ermüdend diese Veranstaltungen für Sie sein müssen«, sagte Leo. »Am Rande herumzustehen, den Gerüchten zu lauschen und allen anderen beim Tanzen zuzusehen.«
    »Es macht mir nichts aus. Ich tanze nicht gerne.«
    »Haben Sie denn schon einmal mit einem Mann getanzt?«
    »Nein«, gab sie zu.
    »Wie können Sie sich dann so sicher sein, dass es Ihnen nicht gefällt?«
    »Ich kann eine Meinung über etwas haben, auch wenn ich es noch nicht ausprobiert habe.«
    »Gewiss. Es ist sogar so viel leichter, sich eine Meinung zu bilden, ohne von seiner Erfahrung oder den Tatsachen geplagt zu sein.«
    Sie runzelte die Stirn, erwiderte aber nichts.
    »Sie haben mich auf eine Idee gebracht, Marks«, fuhr Leo fort. »Ich werde meinen Schwestern die Erlaubnis erteilen, den erwähnten Ball auszurichten. Und zwar aus einem einzigen Grund: Ich werde Sie vor aller Augen zum Tanz auffordern.«
    Sie blickte erschrocken drein. »Ich würde ablehnen.«
    »Ich werde Sie trotzdem fragen.«
    »Um sich über mich lustig zu machen«, erwiderte sie. »Um uns beide zum Gespött zu machen.«
    »Nein.« Seine Stimme wurde sanft. »Um zu tanzen Marks, einfach nur zu tanzen.«
    Ihre Blicke trafen sich. Wie gebannt starrten sie sich an.
    Und zu Leos großer Überraschung schenkte Catherine ihm ein Lächeln. Ein süßes, natürliches, strahlendes Lächeln, ja, es war das allererste Lächeln, das sie ihm überhaupt schenkte. Leo spürte ein warmes Gefühl in sich aufsteigen, das seine Brust erfüllte und ihm den Atem raubte. Eine Hitze durchflutete seinen Körper, als hätte man ihm eine euphorische Droge direkt ins Nervensystem gespritzt.
    Es fühlte sich an wie … Glück.
    Das Gefühl kannte er aus einer anderen Zeit, die lange vorbei war. Er wollte es überhaupt nicht. Doch aus irgendeinem Grund ließ die schwindelerregende Hitze, die sich in seinem Körper weiter und weiter ausbreitete, nicht von ihm ab.
    »Danke«, sagte Catherine, das Lächeln noch auf den Lippen. »Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, Mylord. Aber ich werde niemals mit Ihnen tanzen.«
    Und mit dieser Erklärung bekam Leos Leben ein neues Ziel.
    Catherine drehte sich um und holte ein Skizzenbuch und ein paar Bleistifte aus der Satteltasche.
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie zeichnen«, sagte Leo.
    »Ich bin nicht besonders gut darin.«
    Er deutete auf das Buch in ihrer Hand. »Darf ich mal sehen?«
    »Damit Sie sich über mich lustig machen können?«
    »Ganz bestimmt nicht. Ehrenwort. Bitte, zeigen Sie mir Ihre Zeichnungen.« Langsam streckte Leo ihr die geöffnete Hand hin.
    Catherine blickte auf seine Hand, dann in sein Gesicht. Zögernd reichte sie ihm das Buch.
    Er schlug es auf und blätterte durch die Zeichnungen. Sie hatte die Ruinen von verschiedenen Perspektiven abgebildet, vielleicht ein bisschen zu vorsichtig und ordentlich an manchen Stellen, wo gröbere Striche der Zeichnung mehr Lebendigkeit verliehen hätte. Doch im Großen und Ganzen waren die Bilder sehr gelungen. »Hübsch«, sagte er. »Sie haben ein Gefühl für Strichführung und Formgebung.«
    Sie errötete, sichtlich beschämt über das Lob. »Von Ihren Schwestern habe ich gehört, dass Sie ein versierter Künstler sind.«
    »Allenfalls ein kompetenter. Mein Architekturstudium beinhaltete auch Mal- und Zeichenunterricht.« Leo schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln.

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