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Kuss im Morgenrot: Roman

Kuss im Morgenrot: Roman

Titel: Kuss im Morgenrot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Catherine Marks niemals mehr zu unterschätzen. Sie war die eigensinnigste Person, die er je in seinem Leben kennengelernt hatte. Halb blind und von langen Röcken behindert, durchquerte sie ein ums andere Mal sein benebeltes Blickfeld und schleppte emsig Steine und Schutt herbei wie eine emsige Ameise. Sie hatte beschlossen, einen Haufen zu errichten, über den sie hinausklettern konnten, und nichts würde sie aufhalten.
    Von Zeit zu Zeit blieb sie stehen und legte ihm die Hand auf die Stirn oder Kehle, um seine Temperatur und den Puls zu fühlen. Und dann war sie auch schon wieder weg.
    Es war schier unerträglich, dass er ihr nicht helfen konnte – erniedrigend, einer Frau eine solche Arbeit überlassen zu müssen –, doch jedes Mal, wenn er versuchte aufzustehen, wurde ihm schwindelig und er musste sich sofort wieder hinsetzen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Seine Schulter stand in Flammen, und er konnte seinen linken Arm nicht richtig bewegen. Kalter Schweiß rann ihm über das Gesicht und brannte ihm in den Augen.
    Er musste weggedämmert sein, denn er wurde erst wieder wach, als Catherine verzweifelt versuchte ihn wachzurütteln.
    »Marks«, sagte er matt. »Was machen Sie hier?« Ihm war, als wollte sie ihn früh morgens, lange vor seiner gewohnten Zeit aus dem Schlaf reißen.
    »Nicht einschlafen«, sagte sie mit sorgenvollem Stirnrunzeln. »Der Haufen ist jetzt groß genug, damit wir hinausklettern können. Kommen Sie.«
    Sein Körper fühlte sich an wie Blei. Die Müdigkeit war überwältigend. »Gleich. Lassen Sie mich erst noch ein wenig ausruhen.«
    » Jetzt sofort , Mylord.« Natürlich würde sie ihn wie immer drangsalieren und ihm das Leben zur Hölle machen, bis er gehorchte. »Kommen Sie mit! Na, los! Stehen Sie auf !«
    Leo fügte sich mit einem Stöhnen. Wankend rappelte er sich auf. Ein explosionsartiger Schmerz breitete sich von der Schulter über den Arm aus, und ehe er sich beherrschen konnte, entfuhren ihm diverse Flüche. Sonderbarerweise wies sie ihn diesmal nicht zurecht.
    »Dort drüben«, sagte sie und deutete auf einen nahe gelegenen Trümmerberg. »Und passen Sie auf, dass Sie nicht hinfallen – Sie sind zu schwer, als dass ich Sie auffangen könnte.«
    Er war ziemlich ungehalten, begriff aber, dass sie ihm nur helfen wollte. Also konzentrierte er sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren.
    »Ist Leo die Kurzform von Leonard?«, wollte sie zu seiner Verblüffung wissen.
    »Verdammt noch mal, Marks! Ich will jetzt nicht mit Ihnen sprechen.«
    »Antworten Sie mir«, ließ sie nicht locker.
    Ihm wurde klar, dass sie versuchte, ihn bei Bewusstsein zu halten. »Nein«, sagte er schwer atmend. »Ich heiße nur Leo. Mein Vater hatte etwas für Sternbilder übrig. Leo, der Löwe, ist ein … Sternbild des Sommers. Der hellste Stern markiert sein Herz. Regulus.« Er hielt inne und starrte mit trüben Augen auf den Haufen, den sie errichtet hatte. »Wie tüchtig Sie sind! Das nächste Mal, wenn ich einen Auftrag annehme …«, er machte eine Pause, um Luft zu holen, »… werde ich Sie für den Bau empfehlen.«
    »Stellen Sie sich erst vor, ich hätte meine Brille gehabt«, sagte sie. »Ich hätte Ihnen eine richtige Treppe gebaut.«
    Er schnaubte belustigt. »Sie gehen vor, und ich folge Ihnen.«
    »Halten Sie sich an meinen Röcken fest.«
    »Also, Marks! Das ist das Schönste, was Sie je zu mir gesagt haben.«
    Sie kletterten mühsam aus der Vertiefung, während Leos Blut zu Eis gefror. Seine Wunde schmerzte, und er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Spätestens als er stolperte und seitwärts ausgestreckt auf dem Boden liegen blieb, wurde er ernsthaft wütend auf Catherine, dass sie ihn zu einer derartigen Anstrengung zwang, wo er doch einfach nur in der Grube bleiben und sich ausruhen wollte. Die Sonne blendete, und ein heißes, sonderbares Gefühl durchflutete ihn. Ein brüllender Schmerz manifestierte sich hinter seinen Augen.
    »Ich hole mein Pferd«, erklärte Catherine. »Wir reiten zusammen zurück.«
    Allein die Vorstellung, auf ein Pferd zu steigen und nach Ramsay House zurückzureiten, war ermüdend. Doch angesichts der gnadenlosen Hartnäckigkeit, die sie an den Tag legte, würde ihm wohl nichts anderes übrigbleiben. Also gut. Er würde auf dieses Pferd steigen. Er würde verdammt noch mal reiten, bis er auf dem Pferderücken sein Leben aushauchte, und Catherine würde das Haus mit einer Leiche im Sattel

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