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Kuss im Morgenrot: Roman

Kuss im Morgenrot: Roman

Titel: Kuss im Morgenrot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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    Leo saß kochend und schäumend vor Wut auf der Erde und wartete, bis Catherine mit dem Pferd kam. Sein Zorn gab ihm die nötige Kraft für eine letzte große Anstrengung. Er schwang sich hinter ihr in den Sattel und legte den gesunden Arm um ihren schlanken Körper. Vor Schmerzen am ganzen Leibe zitternd, klammerte er sich an ihr fest. Sie war klein, aber stark, und ihre Wirbelsäule eine Achse, die sie beide stabilisierte. Jetzt musste er nur noch bis zu Hause durchhalten. Sein Groll verflüchtigte sich, als sich die Schmerzen seiner Gedanken bemächtigten.
    Catherines Stimme drang an sein Ohr. »Warum haben Sie sich entschieden, nie mehr zu heiraten?«
    Er ließ den Kopf nach vorn kippen, so dass er beinahe auf ihrer Schulter auflag. »Es ist nicht fair, mir so persönliche Fragen zu stellen, während ich praktisch im Delirium bin. Ich könnte den Fehler begehen, Ihnen die Wahrheit zu sagen.«
    » Warum ?«, blieb sie hartnäckig.
    War sie sich darüber bewusst, dass sie etwas von ihm, von seiner Vergangenheit, in Erfahrung bringen wollte, über das er mit niemandem sprach? Hätte er sich nur ein kleines bisschen weniger elend gefühlt, wäre er ihr einfach über den Mund gefahren. Doch seine Widerstandskraft war ungefähr so wirksam wie die verfallene Steinmauer der Gutshausruine.
    »Es ist wegen des Mädchens, das gestorben ist, habe ich recht?«, verblüffte sie ihn erneut mit ihrer Unverblümtheit. »Sie waren verlobt. Bis sie an demselben Scharlachfieber starb, an dem auch Sie und Win erkrankt waren. Wie war noch ihr Name …?«
    »Laura Dillard.« Es schien ihm unmöglich, dieses Detail seines Lebens mit Catherine Marks zu teilen, aber sie ging ganz offensichtlich davon aus. Und aus irgendeinem Grund tat er ihr den Gefallen. »Eine wunderschöne Frau. Sie liebte die Aquarellmalerei. Wenige Menschen sind wirklich gut darin, weil sie zu zaghaft sind. Sie haben zu große Angst, Fehler zu machen. Die Farbe kann, wenn sie einmal auf dem Papier ist, weder entfernt noch verdeckt werden. Und Wasser ist unberechenbar – ein aktiver Partner beim Malen –, man muss ihm seinen Willen lassen. Manchmal verteilt sich das Wasser so, wie man es nicht erwarten würde, oder ein Farbton fließt in einen anderen. Für Laura war das in Ordnung. Sie mochte die Überraschungen, die es mit sich brachte. Wir kannten uns seit unserer frühen Kindheit. Ich war dann zwei Jahre fort, um Architektur zu studieren, und als ich wiederkam, verliebten wir uns. Es war so einfach. Wir haben nie gestritten – es gab nichts, worüber wir hätten streiten können. Nichts stand uns im Weg. Meine Eltern waren im Jahr zuvor gestorben. Mein Vater hatte ein Herzleiden. Er ging eines Abends ins Bett und wachte nie wieder auf. Und meine Mutter folgte ihm ein paar Monate später. Ihre Trauer war einfach zu groß. Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, dass Menschen vor lauter Kummer sterben können.«
    Eine Weile schwieg er und ließ sich mit den Erinnerungen treiben, als wären sie Blätter und Zweige in einem Bach. »Als Laura an dem Fieber erkrankte, hätte ich nie gedacht, dass es tödlich sein würde. Ich war davon überzeugt, dass meine Liebe zu ihr so viel mächtiger sei als jede Krankheit. Doch ich hielt sie drei Tage in meinen Armen und spürte, wie mit jeder Stunde das Leben mehr und mehr aus ihrem Körper wich. Wie Wasser, das mir durch die Finger rann. Ich hielt sie, bis ihr Herz aufhörte zu schlagen und ihre Haut schließlich kalt wurde. Das Fieber hatte seine Arbeit getan und sie verlassen.«
    »Es tut mir leid«, sagte Marks sanft, als er verstummt war. Sie legte eine Hand auf seine gesunde. »Aufrichtig leid. Ich … oh, wie unangemessen all die Worte sind.«
    »Ist schon in Ordnung«, sagte Leo. »Für manche Erfahrungen im Leben sind die richtigen Worte noch nicht erfunden worden.«
    »Ja.« Sie beließ ihre Hand auf seiner. »Nachdem Laura gestorben war, erkrankten Sie an dem gleichen Fieber.«
    »Es war eine Erleichterung.«
    »Warum?«
    »Weil ich sterben wollte. Nur Merripen mit seinen verdammten Zigeunermittelchen ließ es nicht zu. Ich habe lange gebraucht, um ihm das zu verzeihen. Ich hasste ihn dafür, dass er mich am Leben gehalten hat. Hasste die Welt dafür, dass sie sich auch ohne Laura einfach weiterdrehte. Hasste mich selbst, weil ich es vermasselt hatte, allem ein Ende zu setzen. Jede Nacht vor dem Einschlafen flehte ich Laura an, sie möge mich heimsuchen. Ich glaube, sie hat es eine ganze Weile

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