Kuss mich kuss mich nicht
behauptet hatte, dass ihre Beziehung schlecht gewesen war.
»Ganz im Gegenteil. Der alte Herr hielt Jack für einen geldgierigen Schurken. Was wirklich der Gipfel war. Denn wenn sein Sohn nicht so geschäftstüchtig gewesen wäre, hätte Nate der Sechste seine letzten Jahre in einer wesentlich bescheideneren Umgebung als Buona Fortuna verbracht.« Gray bedachte sie mit einem vielsagenden Blick. »Offen gestanden war der Kerl ein Arschloch und obendrein noch Alkoholiker. Ich glaube, nicht viele Leute außerhalb der Familie wussten, wie schlimm es war. Nach außen war er immer der perfekte Gentleman. Die hässlichen Dinge hat er für die Menschen, die ihm am nächsten standen, aufgespart.«
»Wie schrecklich.«
»Ja. Ich sage mir immer, dass Jack trotz und nicht wegen seines Vaters ein so toller Kerl geworden ist. Obwohl ich mir Sorgen um ihn mache.«
Sie wartete auf eine Erklärung, und als keine kam, sah sie ihn fragend an. »Weshalb?«
Gray verschränkte die Arme vor der Brust und starrte durch die Leute, die an ihnen vorüberliefen, hindurch.
»Er steht ungeheuer unter Druck. Beispielsweise, weil beim Walker Fund mehrere hundert Leute beschäftigt sind und weil ich weiß, dass er sich für jeden Einzelnen persönlich verantwortlich fühlt. Wenn er sich um das Amt des Gouverneurs bewirbt, muss jemand seinen Posten in dem Unternehmen übernehmen, aber niemand wird sich jemals so reinhängen wie er. Falls er gewinnt, wird er sich ernsthafte Gedanken über die Zukunft seines Unternehmens machen müssen, da er nicht gleichzeitig den Staat regieren und den Laden weiterführen kann.« Gray runzelte die Stirn. »Und dann ist da noch der Wahlkampf selbst. Ich weiß, er denkt, dass er dafür gewappnet ist, aber ich bin mir nicht sicher, ob ihm wirklich klar ist, wie schlimm so etwas werden kann. Er ist ein wirklich außergewöhnlicher Mann, doch jeder Mensch hat seine Grenzen, und Stress tut den Leuten manchmal die seltsamsten Dinge an.«
Er machte eine Pause, verzog das Gesicht zu einem Lächeln und bedachte sie mit einem warmen Blick. »Aber genug von Jack.«
Callie hörte das Schnurren des Aston Martin, der in diesem Moment um die Ecke bog, und atmete erleichtert auf.
»War wirklich nett, Sie kennenzulernen«, sagte sie zu Gray.
»Das Vergnügen war ganz meinerseits. Ich rufe Sie einfach in den nächsten Tagen an.« Mit einer leichten Verbeugung öffnete er die Wagentür und bot ihr seine Hand, um ihr beim Einsteigen behilflich zu sein.
»Willst du mitfahren?« Jack beugte sich über den Beifahrersitz, um Gray anzusehen.
Um jede Berührung zu vermeiden, wich Callie so weit es ging zurück und sah, dass er den Mund zukniff.
»Danke, aber ich glaube nicht, dass ich auf den Rücksitz passen würde. Außerdem ist es bei deinem Fahrstil sicherer, zu Fuß zu gehen.« Lächelnd drückte Gray die Tür ins Schloss und schlenderte davon.
Jack legte den ersten Gang ein, aber sie waren keine zwei Meter gefahren, als er von Callie wissen wollte: »Also, was hältst du von Gray?«
»Er könnte dein Zwillingsbruder sein«, antwortete sie, ohne ihn anzusehen.
Auf dem Gehweg liefen Leute durch die Kälte, betraten oder verließen Restaurants. Ihr Blick fiel auf ein Paar, einen Mann und eine Frau, die dicht nebeneinander liefen. Er sah geradeaus, sie blickte zu ihm auf, und sie beide lächelten. Sie waren jung. Vielleicht Mitte zwanzig. Fast in ihrem Alter, dachte sie.
»Aber wie hat er dir gefallen?«, drängte Jack. »Hat die Chemie zwischen euch gestimmt?«
Das Mädchen stieß den Jungen mit der Hüfte an, brachte ihn aus dem Gleichgewicht, und er schlang ihr die Arme um die Taille und zog sie an seine Brust. Dann verlor Callie die beiden aus den Augen, als der Aston Martin um eine Kurve bog.
»Callie?«
Sie schüttelte den Kopf. »Verzeihung, ich war gerade ein bisschen abgelenkt.«
»Wovon?«
Von Träumen, dachte sie. Denen anderer und meinen eigenen.
»Von nichts Besonderem. Gray hat ein einnehmendes Wesen, ist klug und attraktiv.«
Jack bedachte sie mit einem durchdringenden Blick.
Dann aber konzentrierte er sich wieder auf die Straße und stieß zwischen zusammengebissenen Zähnen aus: »Ich nehme an, das ist er. Aber du musst wissen, dass er eine wirklich furchteinflößende Narbe von einer Blinddarmoperation hat.«
Er lenkte den Wagen auf eine Schnellstraße, und sie hatte keine Ahnung, wo sie waren, und war nur froh, dass nur wenige Fahrzeuge auf der Straße waren. Sie lehnte sich gegen die weiche
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