Kuss Mit Sosse
hatte eine Knarre wie Dirty Harry. Aus den Augenwinkeln sah ich den endlos langen Pistolenlauf und dann: PENG!
Der Mann, der meinen Fuß festhielt, sprang zurück und fasste sich an den Kopf, Blut spritzte zwischen seinen Fingern hervor. »Scheiße!«, brüllte er. »Verdammte Scheiße! Sie hat mein Ohr abgeschossen.«
Ich verstand zwar, was er sagte, weil ich es ihm von den Lippen ablesen konnte, aber ich hörte nichts mehr, nur ein hohes schrilles Klingeln im Kopf.
Der Kerl auf der Rückbank kroch aus dem Auto und half, den anderen mit dem angeschossenen Ohr von der Straße zu schleifen.
»Glaubst du, dass er wieder auf die Beine kommt?«, fragte Grandma.
»Weiß nicht. Mir egal.«
Die Tür zum Beerdigungsinstitut öffnete sich und Lula trat zusammen mit einem Koloss nach draußen. Der Hüne hatte ein Bündel unter den Arm geklemmt, das aussah wie ein in grünes Leinentuch gewickeltes Aluminiumgestänge. Sie warfen das Bündel hinten auf den Truck, der Mann ging zurück zu dem Beerdigungsinstitut, und Lula sagte etwas zu Grandma und mir, das ich nicht verstand.
»Was?«, fragte ich nach.
»Nach Hause!«, brüllte Grandma.
Ich fuhr hinter Lula her, zum Haus meiner Eltern, und setzte Grandma ab. Ich glaube, sie sagte, sie wollten den Truck in die Garage stellen, damit der Grill nicht gestohlen würde. Ich fand ja, dass das gar nicht nötig gewesen wäre. Wer wollte schon so einen versifften Grill klauen?
Ich fuhr weiter durch die Stadt zu Rangeman und verzog mich gleich nach oben in seine Wohnung. Ich kickte die Schuhe von den Füßen und ließ mich aufs Bett fallen. Als ich wieder wach wurde, lag ich unter einer dünnen Decke, und ich sah Ranger im Zimmer nebenan an seinem Schreibtisch sitzen. Das Klingeln in meinem Kopf war nicht mehr ganz so schrill, gesunken auf das Level eines Moskitoschwarms.
Ich wälzte mich aus dem Bett und ging zu Ranger.
»Anstrengender Tag?«, fragte er.
»Die Einzelheiten will ich dir lieber ersparen. Und wie war es bei dir?«
»Interessant. Ich habe diesem Hausmeister Mike Fotos aller Rangeman-Mitarbeiter vorgelegt, die annähernd seiner Beschreibung entsprechen, aber er hat den Täter auf keinem wiedererkannt. Unser Gesuchter trägt eine Rangeman-Uniform, arbeitet aber nicht bei uns.«
»Vielleicht ein ehemaliger Mitarbeiter.«
»Da gibt es nur zwei, die in Frage kommen, und die habe ich nachgeprüft. Ergebnis negativ.«
»Was jetzt?«
»Ich lasse gerade alle Objekte nochmals überprüfen.«
»Eine Rangeman-Uniform lässt sich leicht nachmachen. Schwarze Cargo Pants, schwarzes T-Shirt mit aufgesticktem Rangeman-Logo, fertig.«
»Meine Leute sind angehalten, ihre Rangeman-Dienstausweise zu zeigen, aber die Kunden fragen nicht immer danach. Die meisten sehen nur die Uniform und geben sich zufrieden.«
Aus der Küche strömte ein köstlicher Geruch, und plötzlich verspürte ich einen Bärenhunger. »Was riecht denn hier so lecker?«
»Ella hat vor einer halben Stunde Essen gebracht, aber ich wollte dich nicht wecken. Ich glaube, sie hat so eine Art Eintopf gekocht.«
Wir gingen in die Küche, und Ranger verteilte den Eintopf auf zwei Teller.
»Ich habe Cameron Manfred geortet«, sagte Ranger. »Tagsüber arbeitet er für eine Spedition, die nur ein Cover für ein Entführungsunternehmen ist. Ihn auf dem Gelände der Firma festzunehmen wäre nicht ratsam. Da laufen zu viele Verrückte mit Knarren herum. Manfred macht um fünf Uhr Feierabend und zieht dann mit seinen Kollegen in eine Striptease-Bar, bleibt da bis sieben und fährt danach zur Wohnung seiner Freundin. Angeblich hat er eine Adresse in der Sozialsiedlung, aber er ist praktisch nie da. Eigentlich ist das die Adresse seiner Mutter. Wir schlagen heute Abend zu, wenn er zu seiner Freundin geht. Wenn draußen auf der Straße nicht genug Platz ist, um uns gegenseitig Deckung zu geben, müssen wir abwarten, bis Manfred im Haus ist, und dann die Bude stürmen. Ich muss um elf eine Schicht übernehmen, aber ich denke, bis dahin ist die Sache in trockenen Tüchern.«
Wir saßen in einem schwarzen Rangeman-Explorer, Ranger hinterm Steuer, und standen gegenüber von einem heruntergekommenen Apartmenthaus, einen Häuserblock von der Stark Street entfernt, wo Cameron Manfred zusammen mit seiner Freundin hauste. Es war kurz nach neun. Die Straße war finster, die Geschäfte waren geschlossen, vor Eingängen und Schaufenstern Gitterrollos heruntergelassen. Vor dem Haus stand eine Straßenlaterne, aber die Glühbirne
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