Kussen hat noch nie geschadet
gegnerischen Spieler gegenüber gerichtet. Das Bully wurde ausgeführt, und er kämpfte um Dominanz, ging in den Zweikampf. Er schoss zum gegnerischen Tor, doch der Puck wurde von einem Dallas-Spieler abgefangen, der die Dreistigkeit besaß, an der Bande entlang damit zum Tor der Chinooks zu laufen. Die »Buße«, die Sam ihm auferlegte, hob seine Schlittschuhe dreißig Zentimeter vom Eis und brachte das Plexiglas zum Klappern. Ein Dallas Star krachte in Sam hinein, worauf er sich umdrehte und zuschlug. Mehrere Spieler aus beiden Mannschaften stapelten sich übereinander, und Autumn konnte nicht erkennen, ob sie sich prügelten oder sich gegenseitig zurückhielten. Handschuhe und Schläger fielen aufs Eis, und zwei Schiedsrichter pfiffen ab und liefen mitten ins Getümmel. Sam deutete aufgebracht nach links und diskutierte mit dem Schiri; dann zog er sein weißes Trikot wieder gerade, klaubte Handschuhe und Schläger auf und lief zur Strafbank. Seine Augen verengten sich, doch ein Lächeln umspielte seinen Mundwinkel. Es tat ihm überhaupt nicht leid.
Klar, Sam tat nur selten irgendwas leid.
Autumn erinnerte sich an das erste Mal, als sie in diese blauen Augen gesehen hatte. Sie war so unglaublich naiv gewesen, und er so unbeschreiblich gut aussehend. Sie war damals allein in Las Vegas. Mutterseelenallein in der Stadt der Sünde. Sie stammte aus einer Kleinstadt, und Las Vegas war ihr wahnsinnig fremd, so anders als alles, was sie bislang gekannt hatte. Wäre sie nicht allein dort gewesen, wäre sie vielleicht nicht ganz so anfällig für Sams böse Einflüsterungen gewesen.
Wäre das Geld, das sie für ihr Urlaubspaket bezahlt hatte, das sieben Tage und fünf Nächte in Caesar’s Palace beinhaltete, dann nicht futsch gewesen, hätte sie vielleicht einen Blick auf die Verkommenheit in diesen schönen blauen Augen geworfen und wäre Hals über Kopf abgereist. Hätte ihre Mutter sie nicht so eindringlich vor der Dekadenz in Las Vegas gewarnt, hätte sie vielleicht keine so große Faszination auf sie ausgeübt.
In den zwei Jahren zuvor hatte sie sich ausschließlich um ihre Mom gekümmert. Nach ihrem Tod hatte sie ihren Nachlass geordnet und gemerkt, dass sie eine Auszeit brauchte. Urlaub von ihrem Leben. Sie hatte eine Liste von allem erstellt, was sie in Las Vegas unternehmen wollte, und war wild entschlossen, diesen Urlaub bis aufs Letzte auszukosten.
An jenem ersten Tag ganz allein war sie über den Strip geschlendert, hatte die Leute angestarrt und Karten von Strippern/Huren eingesammelt. Sie hatte die Schaufenster von Fendi, Versace und Louis Vuitton bewundert, bei einem Straßenverkäufer ein rosafarbenes Perlenarmband gefunden und an den Spielautomaten bei Harrah’s gezockt, weil sie irgendwo gelesen hatte, dass der Country-Sänger Toby Keith dort abstieg. Aber die einarmigen Banditen hatte sie nur so lange gefüttert, bis sie zwanzig Mäuse verloren hatte. Selbst dann noch hatte sie mit ihrem Geld geknausert.
Später hatte sie faul am Pool gelegen und sich abends in ein weißes Sommerkleid geworfen, das sie sich einmal bei Wal-Mart in Helena gekauft hatte. Dann ging sie ins Pure. Von diesem Nachtclub im Caesar’s hatte sie schon viel gehört und in Promi-Klatschmagazinen wie People und Star gelesen, dass in dieser Bar viele Berühmtheiten ihre Partys veranstalteten.
Zuerst war dort nicht viel los. Sie saß verloren in dem völlig in Weiß gehaltenen Interieur mit den rotierenden pastellfarbenen Discolichtern, hielt sich an ein paar Drinks fest und fragte sich: »Soll das etwa alles sein? Und davon schwärmen alle?« Doch gegen elf füllte sich die Bar, und um Mitternacht tanzte sie und amüsierte sich. Gegen ein Uhr drängten sich warme Körper auf der Tanzfläche, und sie war mittendrin, wackelte mit dem Hintern zur Musik von Singer-Songwriter Jack Johnson, ging aus sich heraus und hatte so viel Spaß wie seit Jahren nicht mehr.
In dem Durcheinander aus verschwitzten Körpern und warmem Tequila-Glühen bemerkte sie die zwei großen Hände auf ihrer Taille sofort. Ein oder zwei Sekunden lang dachte sie sich nichts dabei. Die Tanzfläche war proppenvoll, die Menschen stießen aneinander, und sie hielt die Berührung für ein Versehen. Doch als es ihrem vom Alkohol umnebelten Hirn dämmerte, dass die Berührung gar kein Versehen war, rammte sie ihren Ellenbogen in eine massive Muskelwand und warf einen wütenden Blick über ihre Schulter. Direkt in babyblaue Augen und in ein Gesicht, bei dessen Anblick
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