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Kussen hat noch nie geschadet

Kussen hat noch nie geschadet

Titel: Kussen hat noch nie geschadet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gibson Rachel
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sich in Anlehnung an den berühmten Elvis-Song versprochen, einander »zärtlich zu lieben«. Sie streckte sich genüsslich und lächelte. Sicherlich, die Hochzeit war impulsiv und unüberlegt gewesen, allerdings bereute sie es nicht.
    Gegen fünfzehn Uhr war sie doch leicht beunruhigt, und gegen sechzehn Uhr machte sie sich Sorgen, dass ihm etwas passiert sein könnte. Da sie seine Handynummer nicht hatte, rief sie die Rezeption an. Als sie darum bat, mit seinem Zimmer verbunden zu werden, erfuhr sie, dass er mit dem Rest seiner Gruppe ausgecheckt hatte.
    Ausgecheckt? Sie schlüpfte in ein Paar Flip-Flops, schnappte sich ihren Zimmerschlüssel und begab sich zu seiner Suite. Bis auf die Zimmermädchen, die das Bettzeug wechselten und staubsaugten, war sie völlig verlassen. Keine Koffer. Kein Sam. Er musste ausgecheckt haben, um zu ihr zu ziehen. Aber wo war er abgeblieben?
    Sie wartete den Rest des Tages und die ganze Nacht darauf, dass er an ihre Tür hämmerte. Jedes Mal, wenn im Flur jemand vorbeilief, blieb ihr das Herz stehen, doch es war niemals Sam. Sie konnte nicht glauben, dass er sie ohne ein Wort verlassen hatte. Sie war verwirrt. Wo steckte er? Während sie fassungslos die Fotos betrachtete, auf denen sie vor dem Elvis-Imitator standen, redete sie sich ein, dass er zurückkäme. Ganz bestimmt. Das musste er ja, schließlich waren sie verheiratet.
    Sie redete sich ein, dass er zurückkäme, während sie voller Sorge auf ihn wartete und die Nachrichten einschaltete, um Berichte über einen eventuellen Unfall nicht zu verpassen. Sie blieb sogar noch einen Tag länger, um auf ihn zu warten, doch er rief nicht einmal an. Als ihr am nächsten Nachmittag endlich klar wurde, dass er nicht auftauchen würde, bestieg sie eine kleine Maschine nach Helena.
    Wenige Stunden später kam sie wie betäubt, verletzt und verwirrt zu Hause an. War irgendetwas von dem, was geschehen war, real gewesen? Auf alle Fälle hatte es sich so angefühlt, und ihr Herz schmerzte auf sehr reale Weise.
    Die Heiratsurkunde jedenfalls war real. Sam hatte ihr den Kopf verdreht, ihr das Herz gebrochen und ihr einen solchen Tiefschlag versetzt, dass sie vor Schmerz kaum noch atmen konnte. Was sollte sie jetzt tun? Er hatte sie geheiratet und anschließend im Hotelzimmer sitzen lassen. Sie wusste nicht, ob sie nach Seattle fliegen und ihn zur Rede stellen sollte. Wahrscheinlich wäre er nicht allzu schwer zu finden. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, und kam sich vor wie in einem Nebelschleier. Als sie am Ende der darauffolgenden Woche dann endlich von ihm hörte, war es über seinen Anwalt. Sam verlangte die Scheidung. Er hatte sie wie betäubt und mit gebrochenem Herzen zurückgelassen. Jammerschade, dass ihm das noch nicht gereicht hatte.
    Einen Monat später, als sie seinen Anwalt über ihre Schwangerschaft informiert hatte, war sie so verängstigt und allein gewesen, dass sie – wider besseres Wissen – gehofft hatte, dass er sie beruhigen und ihr versichern würde, für sie und das Kind da zu sein. Dass er ihr helfen würde, damit sie nicht ganz allein dastünde. Stattdessen hatte er einen Vaterschaftstest verlangt.
    Sie sah ihn das erste Mal an dem Tag wieder, als sie ihm Conner in die Arme legte. Damals hatte Sam einen Tapeverband auf der Nase gehabt, und ein blauschwarzes Veilchen hatte sein Auge geziert. Ihr Herz hatte sich schmerzlich zusammengezogen, und von all den Gefühlen, die sie hatte herunterschlucken müssen, hatte ihr der Hals wehgetan. Er hatte sie angeschaut, als hätte er keine Erinnerung an sie, und die Liebe, die sie für ihn empfunden hatte, hatte sich in tiefen, brennenden Hass verwandelt. Direkt dort, im Büro seines Anwalts, und sie hatte gewünscht, dass sie es gewesen wäre, die ihm den Schlag ins Gesicht versetzt hätte. Und hätte sie nicht ihren Sohn im Arm gehalten, hätte sie es vielleicht noch nachgeholt.
    Autumn klappte den Laptop auf ihrem Schreibtisch zu und erhob sich von ihrem Bürostuhl. Inzwischen empfand sie nichts mehr für ihn. Sie war mit sich im Reinen, während sie ihr Büro verließ und die Treppe nach oben stieg. Das Leben war schön. Ihr Sohn schlief im Zimmer gegenüber. Ihr Geschäft lief großartig, und sie empfand keinen Hass mehr für Sam. Sie war überzeugt davon, dass er immer Dinge anstellen würde, die sie provozierten. Er war ein Egoist und konnte nicht anders, aber sie hasste ihn nicht. Wenn er den Raum betrat, hatte sie keine Herzschmerzen, und auch ihr Kopf fühlte sich

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