Kussen hat noch nie geschadet
allen Männern auf der Welt hatte er am wenigsten das Recht, ein Problem damit zu haben, an wen sie sich schmiegte. Das wusste er, aber es hielt ihn nicht davon ab, in letzter Zeit darüber nachzudenken.
Und zwar oft. Autumn und jenes Wochenende in Las Vegas schlichen sich immer wieder in seine Gedanken, wie ein Traum, den er nicht mehr abschütteln konnte. Wie ein erotischer, verschwommener Traum voll rücksichtsloser Begierde und verzehrendem Verlangen.
Vielleicht lag es daran, dass er jetzt mehr Kontakt zu Conner hatte und dadurch auch sie öfter sah. Oder auch daran, dass er sonst immer auf Achse war und in den letzten Tagen zu viel Zeit gehabt hatte, um darüber nachzudenken, wie es wäre, sie anzufassen. Vielleicht, weil er schon eine ganze Weile keine Frau mehr angefasst hatte.
Womöglich war ihm aber auch nur langweilig.
Woran es auch lag, vielleicht war es an der Zeit, es herauszufinden.
ZWÖLF
Der richtige Mann für mich:
macht den Abwasch
Autumn saß gesenkten Hauptes am Esszimmertisch und hielt Vince und Sam an den Händen, während Conner mit geschlossenen Augen neben seinem Vater saß. »Herr, segne uns und die Gaben, die wir dank deiner Güte jetzt empfangen werden«, betete sie, während Vince und Sam sich über den gefüllten Truthahn hinweg feindselig anstarrten, der mitten auf dem Tisch auf der Spitzentischdecke ihrer verstorbenen Mutter stand. »Lass sie uns Kraft und Frohsinn verleihen.« Dann drückte sie ihrem Bruder die Hand und fügte lakonisch hinzu: »Und lass uns einfach miteinander auskommen. Amen.«
Sam ließ ihre Hand los und lächelte. »Amen. Tolles Gebet.«
»Vor allem der Teil, in dem du Rodney King zitierst«, witzelte Vince.
»Klopf, klopf.«
»Wer da?«, riefen alle drei wie aus einem Munde.
»Reicht mir das Kartoffelpüree.«
»Reicht mir das Kartoffelpüree wer?«
Conner zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Reicht mir das Kartoffelpüree sofort. Ich hab tierischen Hunger.«
Kopfschüttelnd löffelte Sam Kartoffelbrei auf Conners Teller. »Du musst ernsthaft an deinen Witzen arbeiten.« Er tat sich selbst eine Portion auf und reichte die Schlüssel an Autumn weiter. Dabei berührten sich ihre Fingerspitzen, bis sie die Hand zurückzog.
An freien Tagen zog sich Autumn normalerweise bequem an, aber heute war kein normaler Feiertag. Deshalb hatte sie sich in eine weiße taillierte Bluse und einen schwarzen Bleistiftrock geworfen, der sich eng an ihren Körper schmiegte und ihr das Aussehen eines Pin-up-Girls aus den 50ern verlieh. Sie hatte gemischte Gefühle gehabt, sich chic zu machen, nur weil Sam zum Essen kam. Einerseits sollte er nicht denken, dass sie sich ihm zuliebe in den Rock gezwängt hatte. Andererseits sollte er sie nicht in einer schlabberigen alten Jogginghose sehen. Doch als sie Sam die Tür öffnete, war sie froh, sich die Mühe gemacht zu haben. Mit seiner schwarzen Wollhose und einem grauen Pulli mit V-Ausschnitt, unter dem er ein weißes T-Shirt trug, schaute er cool und heiß zugleich aus. Nicht wie bei ihrer letzten Begegnung, als er völlig verschwitzt und derangiert gewesen war und Körperhitze verströmt hatte.
»Bist du nicht Kanadier?« Vince lud sich mit der Gabel ein paar Truthahnscheiben auf den Teller.
»Doch.«
»Wieso bist du dann hier?«
Autumn trat ihn unter dem Tisch. »Sei nett, Vin«, warnte sie ihn.
Vince wandte sich zu ihr und blickte sie mit großen Unschuldsaugen an. »Ich frag ja nur. Sam hat bestimmt nichts dagegen, mir eine simple Frage zu beantworten.«
»Überhaupt nicht.« Mit einem breiten Grinsen, das eindeutig »Leck mich« sagte, sah er ihn über den Tisch hinweg an. »Autumn und Conner waren so liebenswürdig, mich einzuladen.«
Was nicht so ganz stimmte. Eigentlich hatte sie an Thanksgiving gar nicht kochen wollen, da Conner normalerweise bei Sam gewesen und Vince bei der Arbeit wäre.
»Ich dachte, du wolltest eine ruhige Kugel schieben und packen«, erinnerte Vince sie überflüssigerweise, während er ihr die Kartoffelpüree-Schüssel abnahm.
Das hatte sie auch vorgehabt. Bis vor ein paar Tagen, als sie plötzlich erfuhr, dass Conner an Thanksgiving mit Sam zu ihr nach Hause käme und sie kochen musste. Sie wusste noch immer nicht so recht, wie es dazu hatte kommen können. Natürlich hatte sie dann auch Vince einladen müssen, der glücklicherweise, oder unglücklicherweise – je nachdem, wie man es betrachtete – zwischendurch eine Stunde frei gehabt hatte, um zum Essen zu kommen. Gerade Zeit
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