Kussen hat noch nie geschadet
genug, um zu ihr zu fahren, rumzustänkern und zurück zur Arbeit zu heizen. Vielleicht sollte sie einfach dankbar sein, dass Vince nur eine knappe Stunde blieb. Nicht annähernd lang genug, dass Sam vom L-Tryptophan ganz komatös werden könnte und Vince ungehindert auf ihn losgehen konnte.
»Wohin fahrt Conner und du denn morgen?«, fragte Sam und belud seinen Teller und den seines Sohns mit Truthahnfleisch.
»Ich hab uns ein Strandhaus in Moclips gemietet.« Autumn tat sich Moosbeerensauce auf den Teller. »Das ist mit dem Auto etwa zwei Stunden von Seattle entfernt.«
»Nie gehört.«
»Das liegt wahrscheinlich daran, dass du deinen Urlaub immer in den Separees im Scores verbringst«, brummte Vince.
Sam zog die Augenbrauen hoch. »Was weißt du denn über die Separees im Scores?«
»Nur, was ich so gelesen hab.«
»Um uns mit großen Worten wie lap und dance deine Fünftklässlerbildung zu demonstrieren?«
»Ja. Und mit Buchstaben wie LMAA.«
»Achte auf deine Ausdrucksweise!« Autumn hob warnend den Zeigefinger von ihrer Gabel und deutete auf Conner. »Letzten Sommer hatten wir dasselbe Haus gemietet und haben es sehr genossen, aber ich hab gelesen, dass es dort zu dieser Jahreszeit viele Stürme gibt.« Dann erzählte sie vom Muschelsammeln und wie sie am Strand gesessen hatten. Wie Conner seinen Drachen hatte steigen lassen und von dem kleinen Museum in Moclips. Sie hatte noch nie im Leben so viel geredet, doch sie hörte nicht damit auf, bis beide Männer sich wieder in ihre Höhlen zurückzogen und die Klappe hielten.
»Bist du jetzt endlich fertig?«, fragte Vince sie, bevor er ein Stück von seinem Croissant abbiss.
»Und du?«
»Nicht mal annähernd.«
»Dann erlaube ich Conner, euch pausenlos mit Klopf-Klopf-Witzen vollzutexten.« Sie hob die Hand. »Ich schwör’s bei Gott, Vince.«
Der gab sich vorerst geschlagen und atmete tief durch. Als Sam lachte, warf Vince ihm einen Blick zu, der besagte, dass er sich zwar zurückzog, der Krieg aber noch lange nicht vorbei war.
»Klopf, klopf.«
»Jetzt nicht, Conner. Iss jetzt bitte auf.«
»Wo ist der Bohnenauflauf?«, wollte Conner wissen.
Natürlich war ausgerechnet das, wonach er verlangte, das Einzige, was sie heute nicht gekocht hatte. Da sie am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe loswollten, hatte sie nicht ihr Äußerstes gegeben, sondern nur das Notwendigste zubereitet, und davon keine Unmengen, damit nicht so viel übrig bliebe, das dann im Kühlschrank vor sich hin moderte. »Den gibt’s an Weihnachten wieder.«
Vince goss sich Bratensoße über sein Essen und warf einen Blick zu Sam. »Wie geht’s der Schulter?«
»Wieder sechzig Prozent funktionstüchtig.« Grinsend winkelte Sam den Ellbogen ab. »Danke der Nachfrage, Hüpffrosch.«
Conner lachte, Vince kniff gereizt die Augen zusammen, und die angespannte Stimmung machte sich bei Autumn prompt durch Kopfschmerzen bemerkbar. Diesmal am Hinterkopf. Sie hatte keine Ahnung, was ein Hüpffrosch war; genauso wenig wie Conner, aber etwas Nettes war es bestimmt nicht. Sie deutete auf Sam. »Hast du gehört, was ich zu Vince gesagt habe?« Sie klopfte an eine imaginäre Tür. »Achte auf deine Ausdrucksweise!«
Sam warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Dann machte er es sich gemütlich und aß, als säße er im Todestrakt und dies seine letzte Mahlzeit. Er wirkte glücklich und zufrieden, als äße er jeden Tag bei ihr zu Abend. Als wären sie dicke Freunde. Als wären sie sich nicht noch vor Monaten an die Gurgel gegangen und als würde ihr Bruder ihn nicht mit Blicken durchbohren. Das schien ihm alles nichts auszumachen, und sie ertappte ihn mehrfach dabei, wie er sie prüfend ansah.
»Was ist?«, fragte sie irritiert.
»Nichts.« Er nahm sich noch eine Scheibe Truthahnfleisch mit Füllung. »Du bist eine exzellente Köchin. Das wusste ich gar nicht von dir.«
Woher sollte er auch? »Danke.«
»Hey, Dad, du solltest bei uns einziehen.« Conner schob seine Erbsen unter sein Brötchen, als würde seine Mutter es nicht merken. »Wir haben unten noch ein Schlafzimmer.«
Der Spannungskopfschmerz legte sich jetzt fest um Autumns Schläfen.
Sam kaute nachdenklich und schluckte. »Ich weiß nicht. Ich hab eine Menge Sachen. Und wo soll ich die Wasserwand hinstellen, die dir so gut gefällt?«
Vince murmelte etwas, das sich sehr nach einem undurchführbaren Vorschlag anhörte, wohin sich Sam die »Wasserwand« stecken konnte. Als sie endlich fertig gegessen hatten,
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