Kussen hat noch nie geschadet
hierher bist du nicht auf die Idee gekommen, mal kurz anzurufen?«
»Natürlich, aber du hättest mich nur abgewimmelt.«
»Da hast du allerdings recht. Du kannst dich nicht einfach zu unserem Urlaub einladen, nur weil du Conner sehen willst.« Wie an Halloween und Thanksgiving.
»Hier geht’s nicht um Conner.«
Sie warf einen Blick auf sein dunkles Profil. »Worum geht es dann?«
»Das versuche ich selbst noch immer rauszufinden.« Er wandte sich zu ihr und lehnte sich mit der nackten Schulter an die Fensterscheibe. »Ich glaube, es könnte etwas mit noch ungeklärten Fragen zwischen uns beiden zu tun haben.«
»Egal, welche ›Fragen‹ auch zwischen uns waren, sie sind schon vor langer Zeit geklärt worden.« Als er sich von ihr hatte scheiden lassen.
Er streichelte ihre Wange und strich ihr zärtlich eine Haarsträhne hinters Ohr. »An jenem ersten Abend im Pure hast du mich an die Zeit erinnert, als ich zehn oder elf war und meine Mom mit Ella und mir nach Washington, D. C. gereist ist.« Sein Blick glitt über ihr Gesicht und ihre Haare. »Es war abends, wir standen am Vietnam Memorial, und ich sah in die Ferne und entdeckte in der Dunkelheit helle, blinkende Lichter. Meine Mom sagte, es wären Leuchtkäfer. Ich war so fasziniert, dass ich ihnen nachrannte und versuchte, einen davon zu fangen.«
Sie bemühte sich, das Streicheln seiner Finger in ihrem Nacken zu ignorieren. »Hast du mich gerade mit einem Käfer verglichen?«
»Mit einer Feuergarbe. Einem hellen Licht, das ich einfangen und in den Händen halten wollte.«
Wenn er solche Dinge sagte, fiel ihr nur allzu genau wieder ein, wie und warum sie sich damals so leicht in ihn verliebt hatte. Wenn sie ihn nicht kennen würde, würde sie jetzt in Gefahr schweben, es wieder zu tun. »Ich schlafe nicht noch einmal mit dir, Sam.«
Lächelnd ließ er die Hand sinken. »Okay.«
Offenbar glaubte er ihr nicht, und das Klügste wäre wohl gewesen, ihn nach Hause zu schicken. Oder ihn zu zwingen, sich ein Hotelzimmer zu nehmen. Stattdessen deutete sie aufs Sofa. »Das lässt sich aufklappen.«
Sie rechnete mit Widerspruch. Dass er sie einwickeln würde. Sie küssen würde, bis sie nachgab und ihn in ihr Bett ließe. Stattdessen grinste er, als hätte er gewonnen.
»Dann bis morgen früh.«
VIERZEHN
Der richtige Mann für mich:
versteht, dass man manchmal Gas geben muss
Sam stand an der Küchentheke und versenkte zwei Vollkornwaffeln im Toaster. Der Sturm vom Vorabend hatte sich verzogen, und die helle Morgensonne strahlte durch die Fenster.
»Mom macht mir immer Herzchen-Pfannkuchen.« Neben ihm kniete Conner auf einem Stuhl und wartete ungeduldig, dass die Waffeln endlich hochsprangen.
»Das hast du mir schon erzählt, aber sag es sonst lieber keinem weiter.«
»Warum?«
»Weil manche Jungs in der Vorschule das mit den Herzchen-Pfannkuchen vielleicht nicht verstehen und dich für eine Memme halten. Du willst doch sicher nicht vermöbelt werden.« Er legte die Hand auf Conners Kopf und verwuschelte sein feines Haar. Sam war aufgestanden, als die ersten Sonnenstrahlen durch die Fenster fielen, und schon acht Kilometer am Strand gejoggt. Er musste den Kopf frei bekommen. Über die letzten zwei Tage nachdenken. Über Thanksgiving und gestern Nacht. War er nur gelangweilt gewesen?
Ja. Die Chinooks waren zu Auswärtsspielen unterwegs, und er brannte darauf, wieder mitzumischen, doch das war nicht der wahre Grund. Er könnte sich einreden, dass es ihm nur um Conner ging. Dass er mehr Zeit mit seinem Sohn verbringen wollte, bevor er wieder spieltüchtig war. Und das stimmte auch. Er wollte wirklich so viel Zeit wie möglich mit Conner verbringen, ehe er wieder auf Tour gehen musste, manchmal mehrere Wochen lang, aber Conner war nicht der einzige Grund. Und wenn Sam ehrlich zu sich selbst war, musste er sich eingestehen, dass sein Sohn nicht der Grund war, warum er gestern Abend in seinen Truck gesprungen und stundenlang durch das Unwetter gefahren war. Es lag an Autumn und der heißen Begierde, die er in ihrer Gegenwart empfand. An der aufkeimenden Erinnerung an ein paar Tage in Las Vegas, an denen er nicht genug von ihr bekommen konnte.
Schließlich hatte er gestern Abend auf ihrer Veranda gestanden, während der Regen auf seine Schultern prasselte und ihm übers Gesicht strömte, und, aufgewühlt von heißer Begierde und aufkeimenden Erinnerungen, auf die Tür gestarrt. Er hatte auf die Tür gestarrt, verwirrt und voll Verlangen, zum ersten Mal
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