Kusswechsel
Backsteinwürfeln als Wohnen bezeichnen will. Große öffentliche Parkplätze waren in der Gegend Mangelware, und auf eine zufällige Parklücke durfte man auch nicht hoffen; die wenigen Autos, die hier standen, sahen aus, als wären sie seit Jahren nicht bewegt worden.
Ich stellte mich in zweiter Reihe direkt vor die Bar, und Lula und ich stiegen aus. Auf den Cayenne brauchte ich nicht weiter zu achten, denn Rangers Männer würden es schon nicht zulassen, dass dem Wagen etwas passierte. Hinten, in den Bund meiner Jeans, hatte ich ein Paar Handschellen gesteckt; unter meinem Sweatshirt trug ich die Kevlar-Weste, und in meiner Tasche war eine Dose Pfefferspray. Lula hielt sich einen halben Schritt hinter mir, und ich fragte sie lieber nicht, was sie dabeihatte. Besser, man wusste es nicht.
Alle Köpfe drehten sich um, als wir die Bar betraten. Freiwillig würde eine Frau hier niemals hineingehen. Wir hielten einen Moment inne, damit sich unsere Augen an den dunklen Innenraum gewöhnen konnten. Vier Männer am Tresen, ein Barkeeper, und ein einzelner Mann, der für sich an einem verschrammten runden Holztisch saß. Jamil Rodriguez. Ich erkannte ihn sofort von dem Foto wieder. Ein mittelgroßer Schwarzer mit einem Piratentuch auf dem Kopf, strohigem Schnauzer und Ziegenbärtchen, einer hässlichen Narbe auf der Backe, die wie eine Verätzung aussah.
Er lümmelte sich auf seinen Stuhl. »Meine Damen?«
»Sind Sie Jamil?«, fragte Lula.
Er nickte. »Kommen Sie in geschäftlicher Angelegenheit zu mir?«
Lula sah mich an und lachte. »Dieser Dummkopf glaubt tatsächlich, wir würden was kaufen.«
Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich neben Rodriguez. »Jamil«, sagte ich, »Sie haben vergessen, sich bei Gericht zu melden«, und –
schnapp–
legte sich eine der Handschellen um seine Hand.
»Man braucht nur abzuwarten, dann kommt das Gute ganz von allein«, sagte Rodriguez. »Ich suche nämlich nach einem neuen Daumen.« Mit der freien Hand zog er ein großes Buck-Messer aus der Tasche.
Die vier Männer am Tresen waren plötzlich hellwach, warteten darauf, dass die Show begann. Sie waren jung und scharf auf ein bisschen Action. Wenn der Zeitpunkt gekommen war, würden sie sich einmischen.
Lula zog eine Pistole aus ihrer Stretchpants mit Tigerfellmuster und zielte auf Rodriguez. Und vom Eingang war das unmissverständliche Ratschen beim Spannen einer abgesägten Schrotflinte zu hören. Ich erkannte den Mann in Schwarz nicht, der den Türrahmen ausfüllte, aber ich wusste auch so, dass er dem Geländewagen entstiegen sein musste. Rangers Männer waren immer leicht zu erkennen. Dicke Muskelpakete, wuchtiger Stiernacken, große Kanone, kein Smalltalk.
»Lassen Sie das Messer lieber fallen«, sagte ich zu Rodriguez.
Rodriguez kniff die Augen zusammen. »Wollen Sie mich dazu zwingen? Versuchen Sie es doch.«
Rangers Mann ballerte ein metergroßes Loch in die Decke über Rodriguez, und Putz flog durch den Raum.
»He«, rief Lula dem Mann in der Tür zu. »Können Sie nicht aufpassen? Ich war gerade beim Frisör. Ich brauche keinen Putz in meinen Haaren. Ballern Sie das nächste Mal lieber gleich ein Loch in diesen verpissten Penner hier.«
Rangers Mann lächelte sie an.
Fünf Minuten später saß Rodriguez mit Handschellen und Fußfesseln auf dem Rücksitz des Cayenne, und wir waren auf dem Weg zur Polizeiwache.
»Hast du gesehen, wie mich der Prachtkerl angeschmachtet hat?«, fragte Lula. »War der geil, oder was? Hast du gesehen, wie groß seine Kanone war? Ich sage dir, da wird mir ganz heiß unten rum. Da würde ich gerne mal was von abkriegen.«
»Ich habe auch eine große Kanone. Wollen Sie nicht was von der abhaben?«, fragte Rodriguez.
»Maul halten da hinten«, sagte Lula. »Sonst machen wir Sie platt. Wir werfen Sie aus dem Auto und überfahren Sie, und kein Mensch würde es merken.«
Ich fuhr die Third bis zur State, dann Richtung Süden. Einen Häuserblock weiter bremste ich wegen einer Ampel, und als die Ampel grün wurde, kam mir Harold Pancek in seinem blauen Honda Civic entgegen.
»Ach, du liebe Scheiße«, sagte Lula. »Hast du den gesehen? Das war Harold Pancek. Den würde ich überall wiedererkennen mit seinem blonden Quadratschädel.«
Ich war schon voll in Fahrt, machte verbotenerweise eine Kehrtwende, trat ordentlich aufs Gaspedal und drängelte mich direkt hinter Pancek. Rangers Männer waren vollkommen überrumpelt und mussten sich ganz schön anstrengen, um uns einzuholen.
Weitere Kostenlose Bücher