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Kusswechsel

Kusswechsel

Titel: Kusswechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Evanovich
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hätte, dass ich abnehme, dann hätte er dafür gesorgt, dass es heute Spinat zum Nachtisch gäbe.
    Pünktlich um sechs Uhr traf Albert Kloughn ein.
    »Ich komme doch nicht zu spät, oder?«, fragte er. »Ich war am Arbeiten, da habe ich nicht mehr auf die Uhr geguckt. Entschuldigt, wenn ich mich verspätet habe.«
    »Du kommst nicht zu spät«, sagte meine Mutter. »Du bist überpünktlich.«
    Wir alle wussten, wer zu spät dran war: Joe. Der Schmorbraten, die grünen Bohnen und der Kartoffelbrei wurden aufgetischt, und Joes Stuhl blieb leer. Meine Mutter schnitt den Braten an und nahm sich die erste Scheibe. Grandma haute sich einen Klumpen Kartoffelbrei auf den Teller und reichte die Schüssel nach rechts weiter. Meine Mutter sah auf die Uhr. Morelli war noch immer nicht da. Mary Alice machte schnaubende Geräusche mit den Lippen und trommelte galoppartig mit den Fingern auf ihr Wasserglas.
    »Soße«, sagte mein Vater.
    Alle sprangen sofort auf und reichten ihm die Soße.
    Mein Teller war beladen mit in Soße ertränktem Fleisch und Kartoffelbrei. Dazu gab es ein Butterhörnchen, vier grüne Bohnen und ein Bier. Ich hatte mir das Essen genommen, aber ich hatte noch nicht zugelangt. Noch führte ich einen inneren Kampf mit meinem dummen Ego. Jetzt iss schon, sagte mein dummes Ego. Du musst etwas essen, damit du bei Kräften bleibst. Stell dir vor, du wirst morgen von einem Lastwagen überfahren und stirbst. Was dann? Dann hättest du ganz umsonst gefastet. Also iss schon und genieß es!
    Meine Mutter beobachtete mich. »Du bist überhaupt nicht dick«, sagte sie. »Ich fand sowieso immer, dass du eigentlich viel zu dünn bist.«
    Kloughn streckte den Kopf hoch und sah sich in der Runde um. »Wer ist hier zu dick? Bin ich zu dick? Ich weiß, dass ich ein bisschen pummelig bin. Das war schon immer so.«
    »Du hast einen perfekten Körper, mein Kuschelteddylein«, sagte Valerie.
    Grandma kippte sich ein Glas Wein hinter die Binde und schenkte sich gleich noch mal nach.
    Draußen wurde eine Autotür zugeschlagen. Alle hielten inne und saßen stocksteif da. Einen Moment später ging die Haustür auf, und Morelli kam hereinspaziert.
    »Entschuldigen Sie die Verspätung«, sagte er zu meiner Mutter. »Ich wurde bei der Arbeit aufgehalten.« Er stellte sich neben mich, pflanzte mir einen freundschaftlichen Kuss auf die Stirn und nahm seinen Platz ein.
    Allgemeines erleichtertes Aufatmen. Meine Familie hatte die Sorge, Morelli könnte meine letzte Chance zur Verehelichung sein. Besonders jetzt, da ich dick geworden war.
    »Was gibt es Neues?«, fragte ich Morelli.
    »Nichts.«
    Ich sah betont auffällig auf die Uhr.
    »Übertreib nicht«, sagte Morelli leise und mimte für die Familie ein Lächeln. »Fährst du immer noch mit dem Truck? Ich habe ihn nicht vor dem Haus stehen sehen.«
    »Er steht in der Garage.«
    »Bist du wirklich hinter Ward her?«
    »Das gehört schließlich zu meiner Arbeit.«
    Für einen Moment trafen sich unsere Blicke, und ich spürte, wie sich eine Handschelle um mein linkes Handgelenk legte.
    »Das ist nicht dein Ernst«, sagte ich und hielt meine Hand, an der die andere Hälfte der Handschellen lose baumelte, zur Kontrolle hoch.
    »Nur ein kleiner Scherz zwischen uns beiden«, sagte Morelli zu den anderen am Tisch und schloss die andere Handschelle um sein rechtes Handgelenk.
    »Pervers«, sagte Grandma.
    »So kann ich nicht essen«, sagte ich zu Morelli.
    »Man isst mit der rechten Hand, aber ich habe dir die Handschelle um die linke Hand gelegt.«
    »Ich kann mein Fleisch nicht schneiden. Außerdem muss ich aufs Klo.«
    Morelli schüttelte einmal den Kopf hin und her. »Eine lahme Entschuldigung.«
    »Ich muss aber«, sagte ich. »Von dem Bier.«
    »Na gut«, sagte er. »Ich komme mit.«
    Den anderen blieb die Spucke weg. Meinem Vater fiel ein Stück Schmorbraten aus dem Mund, meiner Mutter entglitt die Gabel, die klappernd auf den Teller sank. Bei uns ging man nicht gemeinsam aufs Klo. In unserer Familie konnte man ja nicht mal zugeben, dass man überhaupt aufs Klo ging.
    Morelli sah sich um und gab sich mit einem Seufzer geschlagen. Er fasste in die Brusttasche seines Hemdes, holte den Handschellenschlüssel hervor und gab mich frei.
    Ich sprang von meinem Stuhl auf und lief nach oben zum Badezimmer. Rasch schloss ich die Tür ab, machte das Fenster auf und kletterte auf das Dach der rückwärtigen Veranda. Diesen Weg hatte ich seit der Highschool als Fluchtweg benutzt. Den beherrschte ich im

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