Kusswechsel
mehr in die Ablage gebracht, dass sich oben auf den Aktenschränken schon mehr Akten befanden als in den Schubladen.
»Wir müssen die Stapel durchsehen«, sagte Connie und erhob sich von ihrem Schreibtischstuhl. »Und eigentlich können wir die Akten dabei auch gleich einordnen. Wir brauchen die Unterlagen von Anton Ward, Shoshanna Brown und Jamil Rodriguez.«
Eine Stunde später hatten wir die Unterlagen für alle drei Kautionsflüchtlinge, und wir hatten über die Hälfte der ausstehenden Fälle sauber eingeordnet.
Die Tür flog auf, und Lula kam hereinmarschiert. »Was treibt ihr denn da?«, fragte sie. »Hab ich was verpasst?«
Connie und ich sahen Lula geschlagene zehn Sekunden lang mit kalten Augen an.
»Was ist?«, fragte sie.
»Wir haben gerade eine ganze Stunde deine Ablage gemacht, weil wir die Unterlagen zu drei Kautionsflüchtlingen brauchten«, sagte Connie.
»Aber das war gar nicht nötig«, sagte Lula. »Ich habe ein ganz praktisches System.«
»Aber du warst nicht da«, sagte Connie. »Wo hast du gesteckt? Du sollst um neun Uhr hier sein.«
»Samstags komme ich nie um neun Uhr. Samstags verspäte ich mich immer. Das müsst ihr doch langsam kapiert haben.« Lula goss sich eine Tasse Kaffee ein. »Habt ihr schon die Nachrichten gehört? Unterwegs hatte ich das Radio eingeschaltet, und da hieß es, der rote Teufel hätte heute Morgen einen Supermarkt in der Commerce Street ausgeraubt. Und dem Verkäufer hat er zehnmal in den Kopf geschossen. Zehnmal in den Kopf, das ist ganz schön viel für einen Kopf.«
Also wieder der rote Teufel. Er wurde immer dreister. Und immer brutaler. Es kam mir vor, als wären Jahre vergangen, seit mein Escape in Flammen aufgegangen und Eddie angeschossen worden war. Ich sank auf meinen Stuhl vor Connies Schreibtisch und fügte Connies Rechercheergebnisse zu den drei Akten hinzu.
Shoshonna Brown wurde wegen Drogenbesitzes gesucht, eine Wiederholungstäterin. Shoshanna hatte ich früher schon mal festgenommen, und ich wusste, dass es nicht schwierig war, sie aufzutreiben. Wahrscheinlich hatte sie bloß keine Möglichkeit, mit einem fahrbaren Untersatz zum Gericht zu kommen.
Jamil Rodriguez war beim Ladendiebstahl in der Elektroabteilung von Circuit City erwischt worden. Beim Durchsuchen fand man eine geladene Glock-Pistole bei ihm, ein Teppichmesser, eine Sandwichtüte voller Ecstasy-Pillen und einen menschlichen Daumen, der in einem Glasröhrchen mit Formaldehyd steckte. Von dem Daumen wusste er angeblich nichts.
Für Anton Ward war eine hohe Kaution hinterlegt worden. Er war mit seiner Freundin in Streit geraten und hatte mehrmals mit einem Steakmesser auf sie eingestochen. Die Freundin hatte überlebt, aber sie fühlte sich verständlicherweise nicht sonderlich wohl bei Anton. Anton war gegen Kaution freigekommen, aber er hatte sich nicht bei Gericht gemeldet. Er war neunzehn, ohne Vorstrafen, jedenfalls keine im Erwachsenenalter. In den Kautionsunterlagen hatte Vinnie notiert, Ward trage die Tätowierungen einer Gang auf dem Arm. Eine der Tätowierungen sei eine Tatze, darunter die Buchstaben CSS. Ward war Mitglied der Comstock Street Slayers.
Ich blätterte in der Akte nach einem Foto von Ward. Das erste zeigte ihn im Profil, das zweite war frontal aufgenommen. Ich sah das zweite Foto und erstarrte. Anton Ward war der rote Teufel.
»Was ist los mit dir?«, fragte Lula. »Du bist ja ganz blass. Ist dir nicht gut?«
»Das ist der rote Teufel.«
Connie riss mir die Akte aus der Hand. »Bist du ganz sicher?«
»Es ist fünf Tage her, aber ich bin mir hundertprozentig sicher.«
»Ich habe ihn dir nicht genannt, als ich das Viertel von der Suchfunktion des Computers überprüfen ließ, weil ich ihn nicht finden konnte«, sagte Connie. »Ich hatte keine Zeit, die ganzen ungeordneten Akten durchzugehen.«
»Oh«, lautete Lulas Entschuldigung.
Connie blätterte in der Akte und las die Computerrecherche vor. »Anton Ward. Mit sechzehn Abbruch der Highschool. Keine Ausbildung. Wohnt bei seinem Bruder.« Sie blätterte weiter vor zur Kautionsvereinbarung. »Seine Kaution wurde von einer gewissen Francine Taylor gestellt. Sie hat dafür ihr Haus als Sicherheit geboten. Vinnie hat noch dazu notiert, dass die Tochter Lauralene hochschwanger ist, sehr jung, und dass sie Anton Ward heiraten will.« Connie gab mir die Akte zurück. »Den Fall überlasse ich dir nur höchst ungern. Normalerweise wäre das was für Ranger.«
»Kein Problem«, sagte ich. »Ich überlasse
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